Bruce Springsteen 2012 auf dem Roskilde-Festival

Bruce Frederick Joseph Springsteen (* 23. September 1949 in Long Branch, New Jersey) ist ein US-amerikanischer Rock-Sänger, Gitarrist und Komponist. Der Bandleader der E Street Band ist Oscar- und Tony-Award-Preisträger sowie 20-facher Grammy-Gewinner. Springsteen ist weltweit äußerst populär und einer der kommerziell erfolgreichsten Rockmusiker überhaupt. Springsteen hat 21 Studioalben und ca. 350 Eigenkompositionen veröffentlicht. Allein in den Vereinigten Staaten hat er mehr als 70 Millionen Alben verkauft, weltweit sind es inklusive DVDs ca. 170 Millionen. Seine Songs haben meist das amerikanische Alltagsleben zum Thema. Sein Spitzname „The Boss“ entstand in den 1970er Jahren, als er seinen Bandmitgliedern nach den Auftritten die Gage bar ausbezahlt hat. Springsteen ist bekannt für seine hochenergetischen Livekonzerte, die meist dreieinhalb bis vier Stunden dauern.

Leben

Kindheit, Jugend und Familie

Bruce Springsteen wuchs in einem katholischen Elternhaus in Freehold, New Jersey, zusammen mit zwei jüngeren Schwestern, Virginia und Pamela Springsteen, in einfachen Verhältnissen auf. Die Eltern – besonders die Mutter Adele – waren sehr religiös und versuchten, dies den Kindern zu vermitteln. Ein Großteil seiner Verwandtschaft lebte in unmittelbarer Nachbarschaft und der kleine Bruce verbrachte viel Zeit bei Großeltern, Onkeln und Tanten.

Sein Vater Douglas Springsteen (* 31. August 1924; † 26. April 1998) war irisch-niederländischer Herkunft. Bruce beschreibt ihn als cholerische, schroffe Person, der es schwerfiel, emotionalen Kontakt zu den Kindern herzustellen. Douglas war wenig erfolgreich in wechselnden Jobs tätig, etwa in einer Teppichweberei, als Taxifahrer und als Gefängniswärter. Bruce Springsteen erinnert sich an seinen Vater als einen frustrierten, abends oft betrunken in der Küche sitzenden Mann. Seine Mutter, Adele Zerilli (* 4. Mai 1925; † 31. Januar 2024),[1] war italienischer Herkunft. Er beschreibt sie als warmherzige, aktive Frau, die das Familienleben organisierte. Zusätzlich arbeitete sie als Sekretärin. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie Springsteen waren bescheiden. Wegen finanzieller Schwierigkeiten folgte Mitte der 1950er Jahre ein sozialer Abstieg, so dass die Familie in ein hauptsächlich von Zuwanderern und Marinesoldaten bewohntes Viertel umziehen musste.

Anthony Zerili, Springsteens Großvater mütterlicherseits, wanderte aus dem süditalienischen Vico Equense über Ellis Island in die USA aus. Ebenso die Großmutter mütterlicherseits, Adelina Sorrentino, wanderte aus Italien ein und wurde 100 Jahre alt, ohne jemals englisch zu sprechen. Der Großvater väterlicherseits war zu 50 % irischstämmig, zu 50 % niederländisch, woher auch der holländische Name Springsteen stammt. Die Großmutter väterlicherseits war zu 100 % irischstämmig. Springsteen hat demnach italienische und irische Wurzeln sowie einen kleinen Anteil holländische.

Springsteen rebellierte einerseits gegen seinen Vater und versuchte ihm so wenig wie möglich zu gleichen; andererseits übernahm er dessen Werte aus der Arbeitswelt (unter anderem Misstrauen gegenüber Intellektuellen) sowie dessen Begeisterung für Autos. Diese Ambivalenz kennzeichnet auch sein Verhältnis zu seiner Heimatstadt und zu New Jersey sowie zur organisierten Religion.

Von Nachbarn wurde der Junge als unbeschwertes, aktives Kind beschrieben. Dieser Zustand änderte sich mit Eintritt in die von Franziskanerinnen geleiteten St.-Rose-of-Lima-School. Springsteen wurde zum Problemkind, das in ständigem Konflikt zu den Lehrern stand und sich zunehmend in sich selbst zurückzog. Er entwickelte ein Gespür für Isolation, das ihn bis weit ins Erwachsenenleben hinein begleiten sollte. Er selbst äußerte sich dazu später folgendermaßen: „Ich hatte viele Pläne, doch ich war immer derjenige, der draußen stand und sehnsüchtig nach drinnen blickte. Ich habe mich schon sehr früh einsam gefühlt. Alle in der Familie meines Vaters waren Außenseiter.“ Schon in seiner Jugend empfand Springsteen die sich ihm als Arbeiterkind bietenden Zukunftsperspektiven als bedrückend. Das Leben seiner Eltern erschien ihm als Sackgasse.

Im Alter von zehn Jahren entwickelte sich seine Begeisterung für Rockmusik, zunächst für Elvis Presley, später auch für die Rolling Stones und die Beatles, und er bekam seine erste Gitarre zu Weihnachten des Jahres 1964 geschenkt. Mit 14 Jahren wechselte er auf die regionale High School von Freehold und entdeckte die Rockmusik als Möglichkeit, der Enge seines bisherigen Lebens zu entfliehen. Das kulturelle Leben im Hause Springsteen war hauptsächlich durch den Fernseher bestimmt und Bruce hatte so gut wie keinen Zugang zu Literatur. Durch Bob Dylan lernte er die Ausdrucksmöglichkeiten in Songtexten kennen. Später schrieb er über diese Zeit den Song No Surrender für das 1984 veröffentlichte Album Born in the U.S.A.: „We learned more from a three minute record than we ever learned in school“ und 1988 anlässlich der Aufnahme Dylans in die Rock and Roll Hall of Fame: „He was the brother that I never had. […] Like Elvis freed your body, Bob freed your mind.“ Er begann ernsthaft Gitarre zu üben und spielte in lokalen Bands. 1967 verließ er die High School und besuchte ein Jahr lang das nahegelegene Ocean County College.

1966 zogen seine Eltern mit der jüngeren Schwester nach Kalifornien, wo sein Vater Arbeit als Busfahrer in San Mateo fand. Bruce blieb in New Jersey im Haus der Eltern zurück und zog später in ein Zimmer in Asbury Park. Er ging keiner geregelten Arbeit nach, verbrachte die Zeit vielmehr mit Musik, Softball, Surfen, Mädchen und Autofahren. 1968 hatte Springsteen, der später so treffend Situationen und Gefühle der working class beschrieb, seinen einzigen Job außerhalb der Musikszene, eine wenige Wochen dauernde Beschäftigung als Gärtner.

Seine Herkunft hat ihn stark beeinflusst. Dabei entwickelte er ein ausgesprochen zwiespältiges Verhältnis zu seinen Wurzeln. So sagte er einmal, dass er als Jugendlicher seine Heimatstadt als engstirnig und armselig empfunden habe.

Heute lebt er mit seiner Frau wieder in der Nähe von Freehold, New Jersey, auf seiner „Stone Hill Farm“ in Colts Neck, wo sich auch sein Tonstudio und großzügige Pferdestallungen befinden. Die Trostlosigkeit des Arbeiterlebens und die vorgezeichneten Lebensläufe der Arbeiterklasse sowie deren Versuche, aus ihren Lebensumständen auszubrechen, sollten die bestimmenden Themen vieler seiner Songs werden. Auch sein konfliktbeladenes Verhältnis zu Autoritäten – speziell zu seinem Vater – hat er immer wieder zum Thema gemacht.

Von 1985 bis 1989 war Springsteen mit dem amerikanischen Model Julianne Phillips verheiratet. Seit 1991 ist er in zweiter Ehe mit der Sängerin Patti Scialfa verheiratet und hat mit ihr drei erwachsene Kinder, zwei Söhne (Evan James * 1990 und Sam Ryan * 1994) und die Tochter Jessica (* 1991), die eine international erfolgreiche Springreiterin ist. Scialfa ist seit 1988 Mitglied in Springsteens E Street Band, in der sie Gitarre spielt und singt. Springsteen hat neben der Farm in Colts Neck einen weiteren Wohnsitz in Wellington/Florida. Im Juli 2022 wurde Springsteens erste Enkelin Lily Harper Springsteen geboren, die Tochter seines Sohns Sam.

1965–1974: Musikalische Anfänge

Seine ersten musikalischen Einflüsse waren Country&Western-Hits von Gene Autry, Roy Rogers sowie von Hank Williams, die zu Hause und bei seiner Großmutter häufig zu hören waren. Sie sind auf Alben wie Nebraska und The Ghost of Tom Joad deutlich zu hören. 1965 trat er der Band Castiles – der Name stammte von einer Seife – bei und spielte recht erfolgreich in kleinen Clubs wie dem berühmten New Yorker Cafe Wha?. Unter der Leitung von Manager Tex Vineyard erlangten die Castiles lokale Berühmtheit und nahmen zwei Singles auf, Baby I und That’s what you get. Springsteens musikalische Ambitionen stießen bei seinen Eltern auf wenig Gegenliebe. Glaubt man seinen Erzählungen, gab es in der Familie Springsteen zwei Dinge, die unbeliebt waren: zum ersten er selbst und zum zweiten seine Gitarre. So jedenfalls seine Ansage zu Growin’ up (Live 1975–1985): „There were two things that were unpopular in my house: one was me. The other one was my guitar.“

Springsteen 1981 in Norwegen

1968 gründete er eine neue Band mit Namen Earth, ein Trio mit der „klassischen“ Besetzung Gitarre, Bass und Schlagzeug. Die Band bestand wohl nur von August 1968 bis Februar 1969, hatte in dieser Zeit aber mehr als ein Dutzend Auftritte. Im März 1969 gründete Springsteen mit Leuten, die er im Upstage Club getroffen hatte, die Band Child. Im November desselben Jahres änderten sie den Namen in Steel Mill. Ihr Hard Rock brachte Springsteen weitere kleine Erfolge. Drei Singles wurden aufgenommen: The Train Song, He’s guilty und Going back to Georgia. Die Aufnahmen werden heute regelmäßig auf CD-Börsen gehandelt.

Im Januar 1971 verließ Springsteen Steel Mill, weil er sich in eine andere musikalische Richtung begeben wollte. Die Zeit bis zur Formierung einer neuen Band überbrückte er mit Gastauftritten, so zum Beispiel bei Steven Van Zandt & The Big Bad Bobby Williams Band, deren Bandleader der spätere Gitarrist der E Street Band war. In dieser Zeit fanden sowohl verschiedene Jamsessions mit unterschiedlichen Musikern als auch Solo-Akustik-Auftritte statt. Aus diesen Jamsessions entstand schließlich die Band Dr. Zoom and the Sonic Boom, bei der alle greifbaren Personen eingebunden wurden. Dies ging so weit, dass vier Mitglieder als Monopoly-Spieler der Band beigetreten waren und auch genau das auf der Bühne taten: Monopoly spielen.

Neben Van Zandt, der hier ebenfalls mit von der Partie war, gehörten auch die späteren E-Street-Band-Mitglieder Garry Tallent, David Sancious, Vini Lopez und Danny Federici „Dr. Zoom & the sonic Boom“ an. Ein Southside-Johnny-Mitglied, für dessen Band Southside Johnny & the Asbury Jukes Springsteen und Van Zandt später viele Lieder schreiben und produzieren sollten (It’s been a long time), war ebenfalls Mitglied von Dr. Zoom & the sonic Boom.

Nach deren Ende spielte Springsteen übergangsweise mit Van Zandt und Southside Johnny, Garry Tallent und Vini Lopez in der Sundance Blues Band, bevor er im Juli 1971 die Bruce Springsteen Band gründete. Sie kann als abgespeckte Version von Dr. Zoom angesehen werden und gilt als Vorläufer der E Street Band.

Die Band, mit der Springsteen ab Oktober 1972 spielte und Ende 1972 sein erstes Studioalbum Greetings from Asbury Park, N.J. aufnahm, trug keinen Namen, wird aber als frühe E Street Band angesehen. Offiziell wurde sie erst ab 1974 mit diesem Namen angekündigt. Er bezieht sich auf die Adresse des damaligen Keyboarders der Band, David Sancious.

Der Springsteen dieser „frühen Jahre“ wird von Zeitzeugen als umtriebige, von manischem Arbeitseifer getriebene, gleichzeitig aber schüchterne und speziell in geschäftlichen Dingen naive Person beschrieben, die nur auf der Bühne auftaute und Führungsqualitäten zeigte.

Nachdem der Impresario John Hammond auf Springsteen aufmerksam geworden war, nahm er den Musiker für Columbia Records unter Vertrag. Entgegen den Plänen seines Managers, der die Aufnahme eines Folkalbums vorgesehen hatte, nahm Springsteen seine Band mit ins Studio. Er sollte eigentlich als ein Art „neuer Bob Dylan“ vermarktet werden. Im Januar 1973 erschien das Debütalbum Greetings From Asbury Park, N.J. Die Platte wird als gute, wenn auch nicht herausragende Rockplatte betrachtet. Musikalisch war sie in weiten Teilen noch recht konventionell und trug deutliche Folkeinflüsse. Sie zeigte bereits das erzählerische Talent Springsteens. Seine Texte waren bilderreiche, ausufernde Beschreibungen des Lebens eines Jugendlichen in New Jersey. Der Titel der Platte bezieht sich auf ein Seebad an der Atlantikküste von New Jersey, das mit seinen vielen Clubs in den 1960er Jahren ein Mekka für aufstrebende Musiker war. Asbury Park war mit seinem bunten Nachtleben ein beliebter Anziehungspunkt für Jugendliche und bot vielen Bands Auftrittsmöglichkeiten.

„Well the cops finally busted Madame Marie for tellin' fortunes better than they do / This boardwalk life for me is through / You know you ought to quit this scene too“
Aus dem Songtext von:
4th of July, Asbury Park (Sandy)

Springsteens Debüt-LP war aber – auch wenn sie von Kritikern gelobt wurde – ebenso wie die noch im Herbst desselben Jahres folgende zweite, The Wild, the Innocent & the E Street Shuffle, zunächst ein Flop. The Wild … gilt inzwischen wegen ihrer musikalisch wie textlich dichten, lebhaften und vielschichtigen Schilderung des Lebens in New Jersey und New York aus der Sicht eines Heranwachsenden nicht nur als eine seiner besten Platten, sondern auch als eine zu Unrecht kaum beachtete Perle der frühen 1970er Jahre. Im Gegensatz zum spärlich instrumentierten Debütalbum weist es starke Einflüsse von Soul und Jazz auf und war musikalisch inspiriert von Van Morrison.

1975–1981: Der Durchbruch mit Born to Run

Erst mit dem dritten Album, Born to Run, gelang 1975 der kommerzielle Durchbruch. Das Album kam unter die Top Five der Hitliste, mit dem Titelsong Born to Run gab es auch einen Top-20-Single-Hit. Das Album wurde aufwendig produziert, Springsteen verwendete ein reichhaltiges Instrumentarium; zusätzlich zur üblichen Rockbesetzung wurden Klavier, Fender-Rhodes-E-Piano, Glockenspiel, Cembalo, Saxophon, Trompete (Randy Brecker), Flügelhorn und Hammondorgel eingesetzt. Dadurch erzeugte er einen sehr dichten und vollen Sound, der an Phil Spectors sogenannten „Wall of Sound“ erinnert. Besonders treten dabei das Saxophon sowie das Klavier im Stile von Billy Joel hervor. Der Sound des Albums und insbesondere der Song Thunder Road gelten als Inspiration für das Album Bat out of hell von Meat Loaf und Jim Steinman. Max Weinberg und Roy Bittan, die 1977 auch an Meat Loafs größtem Erfolg Bat out of Hell beteiligt waren, spielten nun Schlagzeug beziehungsweise Klavier. Die Musik ist aber nicht immer ganz frei von Bombast und Pathos. Im folgenden Beispiel aus dem Titel Born to Run bringt das Klavier kraftvoll gespielte Akkordblöcke abwechselnd mit gebrochenen Akkorden in 16-tel Notenwerten (siehe Noten und Hörbeispiel/?). Springsteen hat den Großteil des Born to run-Albums auf seinem Klavier komponiert, weshalb dies sehr dominant ist. Das Klavierspiel hatte sich der jugendliche Bruce auf dem Instrument seiner Tante selbst beigebracht.

In London spielte Springsteen 1975 sein erstes Konzert in Europa.

Einige Titel der ersten drei Alben, wie zum Beispiel Jungleland, sind aus mehreren Teilen aufgebaut und überschreiten dabei deutlich die sonst im Rock übliche 4-Minuten-Grenze. So beginnt der Titel Jungleland auf Born to Run mit einer „klassisch angehauchten“ Klaviereinleitung (siehe Hörbeispiel/?), zu der sich Streicher gesellen. Der Mittelteil ist mit der „üblichen Rockbesetzung“ versehen. Daran schließt sich ein intimer Jazz-Part (siehe Noten und