John Coltrane ¦ Blue Train: The Complete Masters

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2LP (Album, Gatefold)

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Veröffentlichung Blue Train: The Complete Masters:

1957

Hörbeispiel(e) Blue Train: The Complete Masters:

Blue Train: The Complete Masters auf Wikipedia (oder andere Quellen):

Blue Train (Anhören/?) ist ein Jazz-Album des Saxophonisten John Coltrane und wurde im Dezember 1957 von Blue Note Records veröffentlicht.[1]

Hintergrund

Viele sehen Blue Train als erstes echtes Coltrane-Album, da Coltrane erstmals allein die Musiker und Stücke wählte. Er schrieb alle Kompositionen außer I’m Old Fashioned, einen Jazzstandard von Jerome Kern/Johnny Mercer.

Blue Train ist ein langes, rhythmisch variierendes Stück, das als langsamer Blues mit dem fanfarenartigen Thema in Moll-Stimmung beginnt und während Coltranes erstem Solo-Chorus in Dur zu erhöhtem Tempo übergeht. Das Tempo verlangsamt sich wieder mit dem Bass-Solo gegen Ende des Stücks. Locomotion ist ein schneller Blues. Moment’s Notice und Lazy Bird lassen den Weg melodischer und harmonischer Neuerungen ahnen, den Coltrane ab seiner LP Giant Steps beschreiten würde.[2] Sonst hielt das Album am vorherrschenden Hard-Bop-Stil der Zeit fest.[3][4]

Es blieb das einzige Album Coltranes unter eigenem Namen für das traditionsreiche Blue-Note-Label. Coltrane nannte es in einem Interview 1960 sein liebstes eigenes. Die fünf originalen Stücke wurden 1990 für eine Veröffentlichung auf CD tontechnisch überarbeitet („remastered“). 1997 kam die CD The Ultimate Blue Train heraus, die je eine unveröffentlichte Variante von Blue Train und Lazy Bird enthielt. 2003 wurde eine SACD veröffentlicht, die ebenso wie eine neue CD-Edition von Rudy Van Gelder „remastered“ ist.

Cover

Das von Reid Miles gestaltete Cover zeigt ein Photo von Francis Wolff.[5]

Rezeption

Das Album gilt als einer der Meilensteine des Jazz. Es ist auch nach Jahrzehnten ein höchst populäres Album – auch wenn der Erfolg von den Kritikern unterschiedlich gewertet wird. Lindsay Planer schrieb über das Album bei Allmusic: „Ohne Einschränkung kann Blue Train leicht als einer der wichtigsten und einflussreichsten Aufnahmen nicht nur in John Coltranes Karriere, sondern im gesamten Genre der Jazz-Musik betrachtet werden.“[6] Karl Lippegaus schrieb: „Im Abstand eines halben Jahrhunderts und vor dem Hintergrund der gesamten Coltrane-Diskografie ist der kommerzielle Langzeiterfolg von Blue Train schwer nachvollziehbar.“[7] Während Richard Cook schrieb: „Es ist nicht schwer zu verstehen, warum diese Platte so erfolgreich war. […] Das Album ist in vielerlei Hinsicht eine handwerklich perfekte, bis ins Detail durchgearbeitete Hard-Bop-Platte.“[8]

Zum 65-jährigen Jubiläum im Jahr 2022 wurde das Album neu aufgelegt und erreichte dabei die Musikcharts diverser Länder. In Deutschland erreichte das Album Rang zwölf der Albumcharts sowie die Chartspitze der Jazzcharts im September 2022.[9][10] In den Vereinigten Staaten platzierte sich das Album auf Rang 96 der Billboard 200 sowie ebenfalls an der Chartspitze der Billboard Jazzcharts.[11]

Albumtitel

Auf der 1957 herausgebrachten LP sind fünf Stücke, welche für die CD von 1990 digital aufbereitet und auf 'The Ultimate Blue Train' (1997) und späteren Tonträgern durch zwei zusätzliche (alternative) Takes ergänzt wurden:

  • Blue Train – 10:43
  • Moment’s Notice – 9:10
  • Locomotion – 7:14
  • I’m Old Fashioned – 7:58
  • Lazy Bird – 7:00

Alternate Takes:

  • Blue Train (alternate take) – 9:58
  • Lazy Bird (alternate take) – 7:12

Referenzen

  • Porter, Lewis. John Coltrane: His Life and Music. University of Michigan Press, 2000.
  • Blue Train bei AllMusic (englisch)

Einzelnachweise

  1. Blue Note News, March 6 2018 auf bluenote.com (abgerufen am 23. April 2018)
  2. Vgl. auch die Transkription von Fullers Spiel in „Moment’s Notice“ in: Abgehört: Curtis Fuller über „Moment’s Notice“ von John Coltrane. Jazzzeitung 5/2005
  3. John Coltrane: His Life and Music, von Lewis Porter
  4. The Blackwell Guide to Recorded Jazz, von Barry Dean Kernfeld
  5. Blue Note Records: The Biography, von Richard Cook. books.google.de, abgerufen am 22. Oktober 2009.
  6. engl. Originaltext: Without reservation, Blue Train can easily be considered in and among the most important and influential entries not only of John Coltrane's career, but of the entire genre of jazz music as well.
  7. Karl Lippegaus: John Coltrane. Biografie.(Seite 89) Edel, Hamburg 2011, ISBN 978-3-8419-0069-2.
  8. Richard Cook: Blue Note. Die Biographie. (Seite 135) Argon Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-87024-599-9.
  9. John Coltrane – Blue Train. In: offiziellecharts.de. GfK Entertainment, abgerufen am 8. Oktober 2022.
  10. John Coltranes "Blue Train" dampft durch die Jazz-Charts. In: offiziellecharts.de. GfK Entertainment, 5. Oktober 2022, abgerufen am 8. Oktober 2022.
  11. John Coltrane. Abgerufen am 8. Oktober 2022 (englisch).

Artist(s)

Veröffentlichungen von John Coltrane die im OTRS erhältlich sind/waren:

Impressions Graz 1962 ¦ The Final Tour: Copenhagen, March 24, 1960 ¦ Giant Steps ¦ Both Directions At Once: The Lost Album ¦ OST Chasing Trane: The John Coltrane Documentary ¦ Another Side Of John Coltrane ¦ A Love Supreme: Live In Seattle ¦ Live At The Village Vanguard ¦ John Coltrane And Johnny Hartman ¦ My Favorite Things ¦ My Favorite Things: Coltrane At Newport ¦ Blue Train ¦ Blue Train: The Complete Masters ¦ John Coltrane In The Winner's Circle ¦ Evenings At The Village Gate ¦ A Love Supreme

John Coltrane auf Wikipedia (oder andere Quellen):

John Coltrane (1963)

John William „Trane“ Coltrane (* 23. September 1926 in Hamlet, Richmond County, North Carolina; † 17. Juli 1967 in Huntington, New York) war ein bedeutender US-amerikanischer Jazzmusiker. Anfangs spielte er Altsaxophon, ab den frühen 1950er Jahren fast ausschließlich Tenor- und ab 1960 auch Sopransaxophon. Seine Innovationen und sein inspiriertes Spiel beeinflussten die Jazzwelt nachhaltig.[1]

Sein Stil

Coltranes eigener Stil entwickelte sich in der Ära des Modern Jazz vom Hard Bop bis zum Modalen Jazz und geht schließlich zum Free Jazz über. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre entfaltete er, unter anderem von Dexter Gordon beeinflusst und über Charlie Parker hinausgehend, seine eigene Spielweise, die einen sehr durchdringenden hellen Klang auf seinem Tenorsaxophon mit extremer rhythmischer Verdichtung der Notenwerte verband, bei gleichzeitiger Erweiterung und Verfeinerung des Bebop-Vokabulars im harmonisch-melodischen Bereich. Diese Spielweise wurde von dem amerikanischen Jazzkritiker Ira Gitler mit dem Begriff „sheets of sounds“ (Übersetzung: „Klangflächen“) bezeichnet. Nachdem Coltrane durch seine Zusammenarbeit mit Miles Davis die modale Spielweise kennengelernt hatte, vertiefte er sich in zunehmendem Maße in Experimente mit Skalen. Auch von der indischen Musik (Ravi Shankar) beeinflusst fiel die Wahl des Vornamens für einen seiner Söhne auf Ravi, Ausdruck seiner Bewunderung für den Sitar-Virtuosen. Ab Mitte der 1960er Jahre öffnete er sich freien Spielformen, wie etwa auf dem Album Ascension (1965), und erforschte in seinem Spiel die sich ihm dadurch bietenden Möglichkeiten konsequent. All diese Erkundungen und Erkenntnisse fanden Eingang in seine letzte Aufnahme Expression, die von vielen als Vermächtnis gesehen wird.

Leben und Werk

High Point heute

1926–1945 – High Point und Philadelphia

John Coltranes Mutter, Alice Gertrude Blair (1898–1977), stammte aus einer bekannten und geachteten Familie in Hamlet im Bundesstaat North Carolina; ihr Vater war Reverend William Wilson Blair, der die methodistische Episcopal Zion Church in High Point leitete.[2] Nach ihrer Graduierung zog Alice Blair nach Hamlet und lernte die Familie des Predigers William H. Coltrane kennen. Dessen Sohn war John Robert Coltrane (1901–1939); Anfang 1925 heirateten die beiden. Coltrane war der Name weißer schottischstämmiger Familien, die den Nachnamen an ihre damaligen Sklaven weitergegeben hatten.[3] Ein erstes Kind starb schon bald nach der Geburt; am 23. September 1926 kam John William zur Welt, dessen zweiter Vorname nach den beiden Großvätern gewählt wurde. Schon wenige Monate nach Johns Geburt zog die Familie nach High Point zu den Geschwistern der Mutter. Johns Tante Bettie und seine Cousine Mary (* 1927) wurden nun zu wichtigen Bezugspersonen; später sollte er Mary seine Komposition „Cousin Mary“ widmen.

John wuchs in einem geordneten Umfeld auf, das stark durch die Blair-Verwandtschaft und das religiöse Milieu der Methodisten-Gemeinde bestimmt war, während die Familie Coltrane eine weniger bedeutsame Rolle spielte. Über den Großvater kam Coltrane schon als kleines Kind mit geistlicher Musik in Berührung. Seine Familie war musikalisch, sein Vater spielte mehrere Instrumente. Mit zwölf Jahren bekam er von den Eltern seine erste Klarinette geschenkt und nahm klassischen Musikunterricht. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr soll seine Kindheit sehr glücklich gewesen sein; eine Reihe von Todesfällen überschattete schließlich das Jahr 1939; so starben kurz hintereinander erst seine Tante, im Januar sein Vater an Magenkrebs; im April seine Großmutter. In dieser Zeit wurde die Musik zu einem wichtigen Bestandteil des jungen Coltrane.[4] Ab September 1939 besuchte er die Highschool.

Nach dem Tod des Vaters, der in einer Wäscherei gearbeitet hatte, geriet die Familie in finanzielle Schwierigkeiten; während John sein letztes Jahr auf der Highschool verbrachte, zog Alice 1942 nach Philadelphia, wo sie eine Anstellung als Dienstmädchen fand; die Mutter konnte das Geld für die Musikschule gerade so aufbringen.

Das Wohnhaus von John Coltrane in der North Thirty-Third Street von Philadelphia.

Ihr Sohn, beschrieben als ruhiger und eher stiller Schüler, spielte schon bald im Schulorchester und Fußball. In der Highschool-Zeit lernte er Altsaxophon und machte erste Gehversuche im Jazz, beeinflusst durch schwarze Swing-Bands, die im Radio gesendet wurden, vor allem aber durch Lester Young, der als einer der ersten gängige Swingklischees vermied.[5]

Nach seiner Graduierung im Mai 1943 zog auch John mit zwei Freunden nach Philadelphia. Bis zu seiner Einberufung zum Militärdienst fand er Arbeit in einer Zuckerraffinerie; daneben nahm er Unterricht an der Ornstein School of Music bei Mike Guerra, der ursprünglich Klarinettist war. John Coltrane kehrte in den folgenden Jahren nur noch selten in seinen Heimatstaat zurück; er bevorzugte den Norden auch wegen der weniger starken Rassendiskriminierung. Dennoch wirkte sich die Bindung an North Carolina weiterhin aus; seine erste Frau, Naima, stammte von dort und Coltrane arbeitete fortan mit einer Reihe von Musikern mit familiären Bindungen nach North Carolina, wie mit Dizzy Gillespie, Thelonious Monk, Jimmy Heath und McCoy Tyner. 1958 schrieb Coltrane den Titel „Goldsboro Express“, benannt nach einer Stadt in North Carolina; seine späte Komposition „Welcome“ nimmt auch Bezug auf eine Kleinstadt in der Nähe seines Heimatortes High Point.

1945–1950 – Beginn der Karriere

John Coltrane bei der US Navy (1945)

1945 bekam er einen ersten Job in einer Tanz-Band, bevor er in die Navy eingezogen wurde. Als er auf Hawaii stationiert war. spielte er in einer Jazzband. 1946 wurde er aus dem Dienst entlassen und studierte bei dem Gitarristen und Komponisten Dennis Sandole Jazz-Theorie, was er bis in die 1950er Jahre fortsetzte. Zunächst spielte er Altsaxophon,[Coltrane 1] war Mitglied der Joe Webb-Bluesband, die die Sängerin Big Maybelle begleitete und wechselte dann bei Eddie Vinson zum Tenorsaxophon, da dieser keinen weiteren Altsaxophonisten neben sich duldete. Coltrane äußerte sich später zu diesem Punkt: “a wider area of listening opened up for me. There were many things that people like Hawk, and Ben, and Tab Smith were doing in the ’40s that I didn’t understand, but that I felt emotionally.”[Biography 1]

Ein weiterer wichtiger Punkt seiner musikalischen Entwicklung war das erste Erlebnis eines Charlie-Parker-Konzerts am 5. Juni 1945. In einem Down Beat Artikel schrieb er 1960: “the first time I heard Bird play, it hit me right between the eyes.”[Coltrane 1] Parker wurde darauf zu seinem frühen Vorbild; die beiden spielten auch Ende der 1940er-Jahre gelegentlich miteinander. Hierbei kam es auch 1947 zur ersten Session im New Yorker Audubon Ballroom mit Miles Davis, der für den weiteren Verlauf seiner Karriere immens wichtig werden sollte. In dieser Zeit entstand auch sein Spitzname „Trane“, wie man anhand von zeitgenössischen Briefwechseln feststellte. Coltranes Ausflüge nach New York blieben aber die Ausnahme; sein Hauptbetätigungsfeld blieb die lokale Szene in Philadelphia. Anfang des Jahres 1945 entstanden dort die ersten Aufnahmen, an denen Coltrane mitwirkte; er spielte dabei in der Jimmy Johnson Big Band, die ein inzwischen vergessener Schlagzeuger leitete, in der aber auch Benny Golson, Ray Bryant und Tommy Bryant spielten.

In der Musikerszene kam er mit Heroin in Berührung, das damals eine Modedroge war und wurde abhängig. Dennoch behielt er auch in dieser Zeit ein tägliches Übungspensum von mehreren Stunden bei. Nachdem er noch in Philadelphia eine kurzlebige Formation mit Jimmy Heath, Benny Golson und Cal Massey gegründet hatte, trat er in New York mit Howard McGhee im Apollo Theater auf; Anfang 1949 dann im Audubon Ballroom mit Bud Powell, Art Blakey und Sonny Rollins. Dann wurde er durch Vermittlung von Jimmy Heath 1949 Mitglied der Dizzy Gillespie Big Band, allerdings schnell wieder entlassen, weil Dizzy Gillespie Coltranes Drogensucht nicht akzeptierte. Zuvor entstanden im November 1949 Aufnahmen für Capitol. In der Musikerszene gab man ihm den Spitznamen Country Boy, weil er oft barfuß lief.

Nach seinem Rauswurf fand er Arbeit in der Rhythm-and-Blues-Band von Earl Bostic, mit dem auch einige Aufnahmen entstanden. Nach einem Gastspiel in einer Showband kehrte er nach Philadelphia zurück und hatte kurze Engagements in lokalen R&B-Bands. Auch probte er zunächst viel mit dem exzentrischen Pianisten Hasaan Ibn Ali, der ihn auch harmonisch beeinflusste.[6]

1954 lernte er Naima (Juanita) Grubbs, seine erste Frau, kennen und fand Arbeit im Orchester seines früheren Idols, des Altsaxophonisten Johnny Hodges, dessen lyrische Spielweise und Klangfarbe zu Coltranes wichtigsten Einflüssen zählen.[7] Er blieb bis 1955 in der Hodges-Band. Kurze Engagements bei Shirley Scott und Jimmy Smith folgten, bevor ihn Miles Davis auf Vorschlag von Philly Joe Jones anfragte. In Baltimore fanden erste Probenaufnahmen statt; dort heirateten Coltrane und Naima am 3. Oktober 1955.

1955–1960 – Miles Davis Quintett

Der Eintritt in das legendäre (erste) Miles-Davis-Quintett bedeutete für Coltrane den Durchbruch; Davis war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Star. Coltrane spielte Tenorsaxophon, behielt dabei aber die Intonation des Alt bei und entwickelte seinen charakteristischen Klang. Erste Aufnahmen („Budo“ und „Little Melonae“) entstanden Ende Oktober für Columbia, obwohl Davis noch bei Prestige unter Vertrag stand, als Miles Davis All-Stars. Doch bereits im Herbst des folgenden Jahres warf Davis Coltrane wegen dessen Drogensucht aus der Band. Coltrane zog sich zurück und konnte mit Hilfe seiner Frau vom Heroin loskommen. Daneben entstanden 1956 Prestige-Sessions mit Elmo Hope, Sonny Rollins („Tenor Madness“), Tadd Dameron (Mating Call), Idrees Sulieman und Paul Chambers.

Ein Jahr nach seinem Drogenentzug kehrte er auf die Bühne zurück und stürzte sich mit neuer Energie in die Arbeit. Er arbeitete mit Thelonious Monk (Live at the Five Spot: Discovery!), mit dem er im Oktober 1957 das Album Monk’s Music aufnahm. Aus dem Zusammenspiel mit Monk brachte er die an den Kirchentonarten orientierten Skalen, die sogenannten „Modi“ ein. Diese „modale“ Spielweise ersetzt die herkömmliche, an Harmoniefolgen gebundene Improvisation. In der Folge wurden Coltranes Soli immer länger und ekstatischer. In den Jahren 1957 und 1958 entstanden eine große Reihe hastig eingespielter Coltrane-Alben für Prestige im Stile von Blowing Sessions. Unter diesen ist einzig Blue Train – im September 1957 mit einer Bläsergruppe aus Curtis Fuller und Lee Morgan für Blue Note Records eingespielt – bemerkenswert.

In jenen Jahren von etwa 1957 bis 1960 perfektionierte er eine neue Spielweise, die der Jazz-Kritiker Ira Gitler „sheets of sound“ nannte, Klangflächen. Dabei verdichtete Coltrane ungewöhnlich akzentuierte Arpeggios zu verflochtenen Soundmustern hoher Virtuosität. In Augenblicken höchster Intensität nahm sein Spiel die Qualität von Urlauten an.[8] Der besondere Reiz dieser Technik besteht darin, dass die Musik vielsagend wird, weil oft nicht klar ist, in welcher Tonart Coltrane genau spielt. Wichtig ist, dass der Pianist eingewiesen ist. In dieser Zeit trat Coltrane – mehr oder weniger notgedrungen, denn er benötigte Material für seine neue Spielweise – als Komponist hervor. Anfang 1958 hatte er ein gemeinsames Quintett mit dem Flügelhornisten Wilbur Harden (Mainstream 1958). Von 1958 bis 1960 spielte er wieder im Davis-Quintett. Die beiden herausragenden Alben Milestones und Kind of Blue entstanden.

Die 1960er Jahre

Für sein Album Giant Steps wurde John Coltrane 1961 in Amsterdam mit einem Edison ausgezeichnet

Im Jahr 1959 entstanden erste Aufnahmen für das Label Atlantic Records, zunächst mit Milt Jackson (Bags & Trane). 1960 erschien sein Album Giant Steps – ein Titel, der durchaus wörtlich zu nehmen ist. 1961 wurde dann My Favorite Things veröffentlicht. Das Titelstück dieses Albums (im Drei-Viertel-Takt) stammt aus dem Rodgers-und-Hammerstein-Musical The Sound of Music. Coltrane spielte Sopransaxophon und verhalf diesem im Jazz seit längerer Zeit relativ selten gespielten Instrument damit zu einer Renaissance.

Dieser Erfolg machte das John Coltrane Quartet neben Miles Davis’ Quintett zu einer der einflussreichsten Jazz-Gruppen der 1960er-Jahre. Neben Coltrane bestand die klassische Besetzung aus McCoy Tyner (Piano) sowie Elvin Jones (Schlagzeug). Jimmy Garrison löste im Herbst 1961 seine Vorgänger am Bass, Steve Davis und Reggie Workman, ab und vervollständigte das Quartett. Diese Besetzung sollte sich nun für die nächsten Jahre nicht verändern.

Bei einigen Liveaufnahmen im Village Vanguard wirkte auch der Avantgarde-Saxophonist Eric Dolphy mit, der zuvor bereits mit Ornette Coleman und Charles Mingus zusammengespielt hatte. Die Mitschnitte aus dem Village Vanguard verstörten zahlreiche Jazzkritiker, führten zu einer Kontroverse im Down Beat und zum Ausscheiden Dolphys im März 1962. Danach entstanden zwei eher konservative Alben, Coltrane und Ballads.[9] Seine Auftritte auf dem Newport Jazz Festival in den Jahren 1963 (mit Roy Haynes) und 1965 sind auf der 2007 erschienenen Edition My Favorite Things: Coltrane at Newport dokumentiert.

Einige der bekanntesten Fotografien von Coltrane stammen von Robert Freeman.

Coltrane sprengte den Rahmen des herkömmlichen Jazz und nahm in sein Spiel afrikanische und orientalische Einflüsse auf. Eine der wichtigsten Platten mit dem klassischen Quartett ist die Suite A Love Supreme aus dem Jahre 1964 (Impulse!), bei welcher Coltranes spirituelle Ausrichtung deutlich wird, die sich im vorangegangenen melancholischen Album Crescent andeutete. Coltrane, der auch den psalmenartigen Text schrieb und sang, schuf das Werk nach Lektüre des Buchs The Greatest Thing in the World von Henry Drummond, einem evangelikalen Autor des 19. Jahrhunderts.

In der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre orientierte sich John Coltrane immer stärker am offenen Spiel des Free Jazz. Elvin Jones wurde durch den Schlagzeuger Rashied Ali, der auch ungebundene Metren spielte, erst ergänzt, später dann ersetzt; für McCoy Tyner kam Coltranes zweite Frau Alice Coltrane (sie spielte Piano und Harfe, ein im Jazz selten vertretenes Instrument). Zumeist verstärkte der Saxophonist Pharoah Sanders die Intensität der Saxophonklänge, wie in seinem letzten aufgezeichneten Konzert im April 1967 (The Olatunji Concert).

Lebenslang war Coltrane auf der Suche nach neuen Klängen. Seine künstlerische Existenz erläuterte er dahingehend, dass er die Menschen mit all seiner Kraft seelisch aufrichten wolle. Er verstand seine Musik als Anregung, seine Energiequellen vollkommen freizusetzen, um ein sinnvolles Leben zu gestalten.[8] Dabei blieb sein Stil immer eigenständig und in seiner Geschwindigkeit und Komplexität unvergleichlich. Er veröffentlichte innerhalb von zwölf Jahren etwa 50 Aufnahmen mit seiner eigenen Band und ein Dutzend mit anderen Bands.

John Coltrane starb 1967 an Leberkrebs. John und Alice Coltrane hatten drei gemeinsame Kinder, den Schlagzeuger John Coltrane Jr. (* 1964; 1982 bei einem Autounfall tödlich verunglückt) und die Saxophonisten Ravi (* 1965) und Oran (* 1967).

Ehrungen

Seine Aufnahme Lush Life mit Johnny Hartman, aus dem Album John Coltrane and Johnny Hartman (1963) sowie die Alben Blue Train (1957), Giant Steps (1960), A Love Supreme (1964), My Favorite Things (1961) und Thelonious Monk with John Coltrane (1961) wurden in die Grammy Hall of Fame aufgenommen.[10]

Für sein Album Giant Steps wurde John Coltrane 1961 in Amsterdam mit einem Edison ausgezeichnet.

Die 1971 in San Francisco gegründete Saint John Coltrane African Orthodox Church verehrt den Musiker als einen Heiligen.

Nach ihm wurde der Asteroid Coltrane benannt.

Der schottische Schauspieler Anthony Robert McMillan nannte sich John Coltrane zu Ehren „Robbie Coltrane“.

Chasing Trane: The John Coltrane Documentary ist ein US-amerikanischer Film aus dem Jahr 2016 von John Scheinfeld. Denzel Washington erzählt das Leben von Coltrane; der Film enthält Interviews mit Bewunderern wie Wynton Marsalis, Sonny Rollins, Bill Clinton und Cornel West.[11][12]

Der französische Musiker Christian Vander betrachtet Coltrane als sein größtes musikalisches Vorbild, dem er sein 2011 veröffentlichtes Album John Coltrane L'Homme Suprême als Hommage widmete.[13]

Stimmen der Kritiker

„Was an John Coltranes Soli auch heute noch fasziniert, ist seine große melodische Gestaltungskraft, die Art und Weise, wie er sich souverän abwechselnd innerhalb und außerhalb der üblichen Akkord-Folge bewegt. Anders als andere Musiker seiner Zeit war ihm nicht daran gelegen, sich als jemand zu inszenieren, der etwas des reinen Spiels wegen dekonstruiert. Er hatte so viel an Kreativität und Einfallsreichtum zu verschwenden, daß er damit alles – jeden Ton, jede Akkordfolge, jede Fremdkomposition – mit neuer Bedeutung aufladen konnte.“

Harry Lachner[Lachner 1]

Entwicklung des John Coltrane Quartet

Zur Bandgeschichte siehe John Coltrane Quartet.

Aufnahmen (Auswahl)

1957–1958 – Die Prestige-Jahre
1959–1964 – Die Atlantic-Jahre

1961–1965 – Die Impulse!-Jahre

1965–1967 – Das Spätwerk

Chartplatzierungen

JahrTitelHöchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[15]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE AT CH UK US
1967ExpressionUS194
(3 Wo.)US
1971Sun ShipUS186
(3 Wo.)US
2005At Carnegie HallUS107
(14 Wo.)US
mit Thelonious Monk Quartet
2008Opus Collection: A Man Called TraneUS107
(7 Wo.)US
2018The Final Tour – Copenhagen, March 24, 1960: The Bootleg Series Vol. 6DE87
(1 Wo.)DE
AT55
(1 Wo.)AT
CH59
(1 Wo.)CH
US187
(1 Wo.)US
Both Directions at Once – The Lost AlbumDE3
(9 Wo.)DE
AT6
(8 Wo.)AT
CH4
(8 Wo.)CH
UK15
(2 Wo.)UK
US21
(3 Wo.)US
2019Blue WorldDE21
(2 Wo.)DE
AT30
(1 Wo.)AT
CH45
(2 Wo.)CH
US78
(1 Wo.)US
2021A Love Supreme – Live in SeattleDE20
(2 Wo.)DE
AT25
(1 Wo.)AT
CH13
(3 Wo.)CH
UK83
(1 Wo.)UK
US78
(1 Wo.)US
2022Live at the Village VanguardDE59
(1 Wo.)DE
CrescentDE38
(1 Wo.)DE
Duke Ellington & John ColtraneDE31
(1 Wo.)DE
John Coltrane and Johnny HartmanDE57
(1 Wo.)DE
Blue TrainDE12
(2 Wo.)DE
AT31
(1 Wo.)AT
CH21
(1 Wo.)CH
US95
(1 Wo.)US
2023Evenings at the Village GateDE13
(1 Wo.)DE
CH45
(1 Wo.)CH
US156
(1 Wo.)US

grau schraffiert: keine Chartdaten aus diesem Jahr verfügbar

Kompositionen (Auswahl)

  • Moment’s Notice, 1957[16]
  • 26-2, 1964
  • After the Rain, 1963
  • Alabama, 1963 (Zum Gedenken an den Anschlag auf die 16th Street Baptist Church, und Prince bezeichnete das Stück als einen von 55 Songs, die ihn musikalisch inspiriert haben)
  • Brazilia, 1965
  • Central Park West, 1960
  • Cousin Mary, 1959
  • Giant Steps, 1960
  • Like Sonny, 1959
  • Naima, 1959
  • Syeeda’s Song Flute, 1959
  • Impressions, 1961
  • India, 1961
  • Tunji, 1962
  • Welcome, 1966

Literatur

  • John Coltrane: Coltrane on Coltrane. The John Coltrane Interviews. Chicago Review Press, Chicago 2010, ISBN 978-1-56976-287-5 (hrsg. Chris DeVito).
  • Yasuhiro Fujioka: John Coltrane: A Discography and Musical Biography. The Scarecrow Press, Metuchen NJ 1995, ISBN 0-8108-2986-X (mit Beiträgen von Hamada, Porter).
  • Lewis Porter: John Coltrane: his life and music. The University of Michigan Press, 1998, ISBN 0-472-10161-7 (engl. Originalausgabe).
  • Ashley Kahn: A Love Supreme. John Coltranes legendäres Album. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Berlin 2004, ISBN 3-8077-0030-7 (englisches Original Viking Penguin, New York 2002, ISBN 0-670-03136-4).
  • J.C. Thomas: Chasin' the trane. Musik und Mystik von John Coltrane. Hannibal, Wien 1986, ISBN 3-85445-024-9 (dt. Übersetzung, engl. Original 1975).
  • Ralf Dombrowski: John Coltrane. Sein Leben, seine Musik, seine Schallplatten. Oreos, Waakirchen 2002, ISBN 3-923657-63-3 (dt., vollständig überarbeitete Neuauflage).
  • Carl Woideck: The John Coltrane Companion. Schirmer Books, 1998, ISBN 0-7119-6994-9.
  • Gerd Filtgen, Michael Ausserbauer: John Coltrane. Oreos Verlag, 1989.
  • David A. Wild: liner notes zu The Complete 1961 Village Vanguard Recordings (1997)
  • Ben Ratliff: Coltrane. The Story of A Sound. Farrar, Straus and Giroux, New York 2007, ISBN 978-0-312-42778-8.
  • Karl Lippegaus: John Coltrane. Biografie. Edel, Hamburg 2011, ISBN 978-3-8419-0069-2.
  • Peter Kemper: John Coltrane. Biographie. Reclam, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-15-961200-3.
Commons: John Coltrane – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Hörbeispiele

Anmerkungen und Verweise

  1. John Coltrane Biography – The John Coltrane Foundation
  1. a b John Coltrane: Down Beat-Interview 1960.
  1. Harry Lachner: Jahrhundertaufnahmen des Jazz John Coltrane A Love Supreme
  • Lewis Porter: John Coltrane. University of Michigan Press, Ann Arbor 2006
  1. John Coltrane – laut.de – Band. Abgerufen am 28. März 2023.
  2. Lewis Porter, S. 1 ff.
  3. Lewis Porter, S. 6 f.
  4. Lewis Porter, S. 17.
  5. Vgl. Filtgen und Außerbauer, S. 15.
  6. Andrian Kreye: Geheimnisträger. In: Süddeutsche Zeitung. 3. Mai 2021, abgerufen am 2. November 2021.
  7. Filtgen und Außerbauer, S. 22 ff.
  8. a b Barry Graves, Siegfried Schmidt-Joos, Bernward Halbscheffel: Rock-Lexikon. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 978-3-499-61588-7, Band 1, S. 210 f.
  9. vgl. David A. Wild, 1997
  10. Grammy Awards Site, grammy.org (Memento vom 10. April 2015 auf WebCite) Grammy Hall of Fame
  11. Dave McNary: John Coltrane Documentary ‘Chasing Trane’ Gets Release Date. In: Variety. 16. März 2017, abgerufen am 4. März 2023 (amerikanisches Englisch).
  12. John Scheinfeld: Chasing Trane: The John Coltrane Documentary. Meteor 17, Crew Neck Productions, 14. April 2017, abgerufen am 4. März 2023.
  13. Christian Vander: John Coltrane, l'homme suprême. In: Seventh Records. Abgerufen am 9. Oktober 2024 (englisch).
  14. Auszeichnungen für Musikverkäufe: US UK
  15. Chartquellen: DE AT CH UK US
  16. Moment’s Notice in der englischsprachigen Wikipedia