The Rolling Stones ist eine 1962 in England gegründete Rockband. Sie zählt zu den langlebigsten[2] und kommerziell erfolgreichsten[3][4] Gruppen der Rockgeschichte. 1989 wurde die Band in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Mit Nummer-eins-Hits in den Jahren 1968 und 2020 sind die „Stones“ in Deutschland die Band mit der längsten Zeitspanne zwischen zwei Hitparadenspitzenreitern.[5] Die Rechte am Markennamen Rolling Stones der Band, oft „Rolling Stones Inc.“ genannt, hält das Unternehmen Musidor B.V.[6][7] Die Musikzeitschrift Rolling Stone listete sie auf Rang vier der 100 größten Musiker aller Zeiten.[8]

Bandgeschichte

Gründung (1962)

Im Oktober 1961 begegneten sich der achtzehnjährige Mick Jagger und der siebzehnjährige Keith Richards zufällig am Bahnhof ihrer Heimatstadt Dartford in Kent. Jagger war auf dem Weg zur London School of Economics und wartete am Bahnsteig auf den Zug, Richards wollte ebenfalls in das etwa 30 Kilometer entfernte London zum Sidcup Art College. Die beiden Teenager kannten sich von gemeinsamen Jahren an der Grundschule, der Kontakt jedoch war mit der Zeit abgebrochen. Da Jagger Schallplatten des US-amerikanischen Bluesmusikers Muddy Waters und des Rock-’n’-Roll-Musikers Chuck Berry unter dem Arm trug und Richards von der zu jener Zeit in Großbritannien relativ unbekannten Musik ebenfalls begeistert war, entwickelte sich eine Unterhaltung.[9] Sie verabredeten sich, um Blues- und Rock-’n’-Roll-Schallplatten zu hören.[10]

Das gemeinsame Interesse an dieser Musik führte in der Folge zu ihrer Freundschaft. In der Freizeit trafen sich Jagger, sein ehemaliger Mitschüler Dick Taylor und Bob Beckwith, um gemeinsam als Little Boy Blue and the Blue Boys[11] zu musizieren.[12] Taylor besuchte auch das Sidcup Art College und kannte ebenfalls Keith Richards.[10] Nachdem Jagger seine Bekanntschaft mit Richards erneuert und erfahren hatte, dass dieser Gitarre spielte,[10] beschlossen er und Taylor, ihn miteinzubeziehen.[12] Zu viert probten sie in den elterlichen Wohnungen die Lieder ihrer amerikanischen Vorbilder.[10]

Um Liveauftritte angesagter Bluesformationen zu sehen, besuchten sie an den Wochenenden Londoner Clubs und waren im April 1962 im Ealing Jazz Club zu einem Konzert der von Alexis Korner geführten Blues Incorporated, der ersten elektrischen Bluescombo des Landes. Da es sich um eine personell völlig offene Formation handelte, jammten Jagger und Richards vor dem Auftritt mit den Musikern auf der Bühne. Dabei zog Brian Jones, der sich damals Elmo Lewis nannte,[13] durch sein Slide-Gitarrenspiel und die damals in Europa wenig bekannte Bottleneck-Technik die Aufmerksamkeit auf sich. Im Gegensatz zu den drei Schülern aus der Vorstadt, die noch bei ihren Eltern wohnten, war der umtriebige Jones als Vater dreier unehelicher Kinder bereits auf sich allein gestellt und hatte durch seine Vaterschaften in seiner Heimatstadt Cheltenham für einen gesellschaftlichen Skandal gesorgt.[14]

Im Mai/Juni 1962 beschloss Jones seinen Ausstieg bei Blues Incorporated und bemühte sich intensiv um die Gründung einer eigenen Rhythm-and-Blues-Band. Auf der Suche nach Gleichgesinnten schaltete er eine Anzeige in der Zeitschrift Jazz Weekly, woraufhin sich der Boogie-Woogie-Pianist Ian Stewart, mit dem er bereits zusammengespielt hatte, anschloss.[14] Jones machte Mick Jagger, den er von gemeinsamen Sessions mit Blues Incorporated kannte, das Angebot, als Sänger in die Band einzutreten. Jagger bekundete Interesse, sofern seine Freunde Keith Richards und Dick Taylor auch dabei sein dürften, worin Jones einwilligte. Taylor wechselte von der Gitarre zum E-Bass, und in den Hinterzimmern Londoner Pubs machten sie sich daran, ein Repertoire an Rhythm-and-Blues-Songs einzustudieren.[14] Die Proben, an denen Brian Jones, Mick Jagger, Keith Richards, Dick Taylor und Ian Stewart sowie wechselnde Drummer, darunter Tony Chapman und Mick Avory, teilnahmen, erfolgten vor allem im Bricklayers Pub in der Nähe der Edith Grove 102, wo Jones, Jagger und Richards sowie James „Jimmy“ Phelge in Wohngemeinschaft lebten.[15]

Erster Auftritt und Bandname

Marquee Club, Upper Saint Martins Lane, Covent Garden, London

Mittlerweile spielte Blues Incorporated zweimal wöchentlich im Marquee Club in der Londoner Oxford Street. Aufgrund von Fernsehaufnahmen bei der BBC musste die Band einen vereinbarten Auftritt absagen, und Alexis Korner vermittelte die Band um Brian Jones (mit Jagger und Richards) als Ersatz. In der Besetzung Mick Jagger (Gesang), Brian Jones (Gitarre), Keith Richards (Gitarre), Dick Taylor (Bass), Ian Stewart (Piano) und Tony Chapman oder Mick Avory (Schlagzeug) traten sie am 12. Juli 1962 erstmals unter dem Namen The Rollin’ Stones auf. Als Vorgruppe für den Bluessänger Long John Baldry spielten sie vor etwa 100 Zuschauern fünf Coversongs.

Inkonsistenzen bestehen hinsichtlich der Besetzung des Schlagzeugers. Während Bill Wyman angibt, Mick Avory (späteres Gründungsmitglied von The Kinks) sei im Marquee der Schlagzeuger gewesen, Keith Richards in seiner Autobiografie sogar ausdrücklich darauf hinweist, dass Avory und nicht wie häufig behauptet Tony Chapman diesen Part übernommen habe, und auch die Band auf ihrer offiziellen Website Avory als Schlagzeuger benennt,[16] erklärte Avory selbst mehrfach, niemals mit den Rolling Stones aufgetreten zu sein, sondern vor dem Konzert im Marquee nur zweimal mit diesen geprobt zu haben. Die Gruppe, so Avory, sei auf der Suche nach einem Schlagzeuger gewesen, doch da er zu diesem Zeitpunkt kein Interesse an einem Einstieg in die Band hatte, habe er letztlich nicht im Marquee gespielt.[1] Chapman jedenfalls war einer von mehreren Schlagzeugern, die 1962 mit den „Stones“ spielten, und Keith Richards bezeichnete ihn 1971 rückblickend als ihren ersten festen, jedoch schlechten Schlagzeuger, der große Schwierigkeiten gehabt habe, das Tempo zu halten.[14]

Hinsichtlich der Auswahl des nach dem ersten Auftritt im Marquee-Club von den Musikern geführten Bandnamens The Rolling Stones (wörtlich übersetzt: ‚Die rollenden Steine‘, sinngemäß ‚Die Landstreicher/Herumtreiber‘) herrscht Uneinigkeit. Folgt man den Ausführungen des späteren Bassisten Bill Wyman, hatte sich der Bandgründer[17] Brian Jones von der Zeile “I’m a rollin’ stone” aus dem Song Mannish Boy von Muddy Waters aus dem Jahre 1956 inspirieren lassen.[18] Keith Richards[19] und Dick Taylor[12] dagegen führen die Wahl auf das ebenfalls von Muddy Waters aufgenommene Stück Rollin’ Stone (bzw. Rollin’ Stone Blues, wie der Titel u. a. auf britischen Schallplatten der 1950er Jahre heißt) zurück.[20] Die in beiden Liedern verwendete Allegorie „rolling stone“, die je nach Kontext sowohl eine positive als auch negative Konnotation haben kann, ging aus dem englischen Sprichwort “A rolling stone gathers no moss” hervor und bezeichnet eine Person mit unstetem Lebenswandel. Zu Beginn nannte sich die Gruppe (unter Auslassung des g) noch „The Rollin’ Stones“, laut Dick Taylor aufgrund ebendieser Schreibung des Waters-Titels Rollin’ Stone Blues.[12]

Etwa zur Zeit ihres ersten Auftritts bezogen Brian Jones, Mick Jagger und Keith Richards mit dem gemeinsamen Freund und Bluesfan James Phelge im Winter 1962 eine schäbige, heruntergekommene möblierte Wohnung in 102 Edith Grove im Stadtteil Chelsea. Während Mick Jagger zunächst weiterhin die London School of Economics besuchte, unternahmen Richards und Jones keine ernsthaften Versuche, in ein bürgerliches Leben einzusteigen: Richards brach die Schule ab, Jones kündigte seine Anstellung in einem Kaufhaus. Die Musiker widmeten sich ausschließlich der Entwicklung der Band und ihren Fertigkeiten an den Instrumenten. Jones brachte Jagger das Spiel an der Mundharmonika bei, die er nun sogar der Gitarre vorzog. Finanziell waren sie so schlecht gestellt, dass sie teilweise Lebensmittel in Supermärkten stahlen.[14][21]

Frühe Umbesetzungen und erste Erfolge (1963/64)

Die Rolling Stones während einer Pressekonferenz (1964)

Da Dick Taylor nicht auf eine Rolle als Bassist festgelegt sein wollte, verließ er im November 1962 die Rolling Stones. Er setzte sein Studium fort, gründete jedoch schon 1963 die Band The Pretty Things.[22] Bevor Schlagzeuger Tony Chapman ebenfalls aus der Band ausschied, vermittelte er den 26-jährigen Bill Wyman als neuen Bassisten, der den „Stones“ am 7. Dezember 1962 offiziell beitrat.[23] Mit seinem selbst modifizierten Vox-AC30-Gitarrenverstärker hob er den Sound der Gruppe auf eine neue Ebene.[24] Nach dem Ausstieg Chapmans umwarb die Band den Jazz-Schlagzeuger Charlie Watts, der kurz zuvor Blues Incorporated verlassen hatte, da er sich als nicht gut genug empfand, um mit solch ausgezeichneten Künstlern zusammenzuspielen. Trotz seiner musikalischen Vorbehalte gelang es vor allem Ian Stewart, den zögernden Watts, der zunächst hauptberuflich als Grafiker weiterarbeitete, im Winter 1962 vom Einstieg in die Band zu überzeugen. Am 12. Januar 1963 traten sie erstmals mit ihrem neuen Drummer im Ealing Jazz Club auf.[22][25]

Ansonsten trat die Band zunächst meist in kleinen Clubs wie Scene und Ricky Tick oder in Pubs wie Red Lion auf.[26] Zwischen Februar und September 1963 ermöglichte dann der Impresario Giorgio Gomelsky, ein aus Georgien stammender Bluesfan, den Rolling Stones ein festes Engagement als Hausband in dem von ihm geführten „Crawdaddy Club“ im Station Hotel in Richmond. Die Gage betrug anfänglich einen Pfund Sterling pro Mitglied. Die Band, nun The Rolling Stones, coverte Songs von Chuck Berry, Muddy Waters, Jimmy Reed, Bo Diddley und Howlin’ Wolf und wurde mit ihren wilden Bühnenauftritten (mit von Gomelsky und seinem Assistenten Hamish Grimes zum Armeschwenken auf den Tischen angefeuertem Publikum[27]) zu einer der zunehmend mehr Publikum anziehenden Livebands der Londoner Musikszene. Am 14. April 1963 besuchten die Musiker der Gruppe The Beatles, die bereits landesweite Charterfolge feiern konnten, einen Auftritt der „Stones“ im Crawdaddy Club und zwischen den Bandmitgliedern entwickelte sich ein freundschaftliches Verhältnis. Während ihres Engagements entwickelten die „Stones“ ihren eigenen, „schwarzen“ und aggressiven Sound, der sich deutlich von der Beatmusik abhob, die damals die britischen Charts dominierte. Rhythmus- und Lead-Gitarre, Harmonika und Gesang waren nicht sauber voneinander zu trennen, die Rhythmusgruppe um Charlie Watts und Bill Wyman bildete das stabile Fundament der Band.

Am 28. April 1963 besuchte Andrew Loog Oldham, der kurzzeitig für den Beatles-Manager Brian Epstein gearbeitet hatte, einen Auftritt der Rolling Stones. Er war beeindruckt und bot ihnen nach dem Konzert an, deren Manager zu werden. Jagger und Richards waren ihrerseits vom Auftreten Oldhams beeindruckt und unterzeichneten einen Vertrag.[28] Darin wurde festgelegt, dass Oldham sich um das Image der Band kümmern sollte und er legte dem im Vergleich zu den anderen Bandmitgliedern etwas bieder wirkenden Ian Stewart nahe, die Band zu verlassen. Sein Äußeres passe nicht zum Image, das ihm für die Stones vorschwebe. Stewart blieb der Band als Tourmanager, Live- und Studiomusiker bis zu seinem Tod 1985 erhalten. Oldham gelang es, die Rolling Stones (von Mick Jagger später als „die Antwort des Südens auf die Rutles“ bezeichnet[29]) als „böse“ Version der Beatles zu inszenieren: Auf Fotos blickten sie grimmig, trugen längere Haare und gaben sich eine Aura der Gefahr und Unnahbarkeit. Verstärkt wurde dieser Eindruck durch ihre laute, vulgäre Bühnenshow, die mit sexuellen Anspielungen aufgeladen war.

Oldham verschaffte den Rolling Stones, die im Frühjahr 1963 Blues Incorporated als führende Band der Londoner Bluesrockszene[30] abgelöst hatten, einen Plattenvertrag bei Decca Records, die kurz zuvor noch die Beatles abgelehnt hatte. Dem Decca-Chef Dick Rowe hatte der Beatles-Gitarrist George Harrison die Rolling Stones als „gute Band“ vorgeschlagen, woraufhin Rowe die Stones im Station Hotel in Richmond, wo sie einen Auftritt hatten, aufsuchte und sie für Decca verpflichtete.[31] Am 7. Juni 1963 erschien mit einer Coverversion von Chuck Berrys Come On auf der A-Seite und I Want to Be Loved von Willie Dixon auf der B-Seite die erste Single der Band. Das Lied Come On erreichte Platz 21 der UK-Single-Charts, und die Rolling Stones traten daraufhin das erste Mal im Fernsehen auf. Da die Band dringend einen eigenen Hit benötigte, wandte man sich an Paul McCartney, der für die Stones I Wanna Be Your Man schrieb.[32] Aufgrund ihrer Freundschaft überließen die Beatles (bzw. John Lennon und Paul McCartney) den Stones diese Komposition, die am 1. November 1963 veröffentlicht wurde. Die zweite Single der Rolling Stones erreichte Platz zwölf der Hitparade.

Aufgrund des beginnenden Erfolgs beendeten die Rolling Stones ihr Engagement als Hausband und begaben sich zwischen dem 29. September und 3. November 1963 auf ihre erste Großbritannien-Tournee (The Rolling Stones British Tour) mit 60 landesweiten Auftritten.

Not Fade Away, eine Komposition von Norman Petty und Buddy Holly, war die nächste Single. Sie wurde am 21. Februar 1964 in Großbritannien herausgebracht und war die erste Veröffentlichung in den Vereinigten Staaten (9. März 1964). Mit The Rolling Stones wurde am 16. April 1964 die erste LP herausgegeben, die in den USA unter dem Titel England’s Newest Hitmakers am 30. Mai 1964 erschien.

Juni 1963 bis Juni 1969: Die Jahre mit Brian Jones

The Rolling Stones, 1965

Am 20. April 1964[33] hatten die Rolling Stones im Rahmen des Rose-d’Or-Festivals im Casino in Montreux ihren ersten Auftritt auf dem europäischen Festland. Neben Petula Clark und anderen Musikern waren sie die Gäste einer dort aufgezeichneten Sondersendung[34] der britischen Fernsehreihe Ready Steady Go.[35] Der Auftritt in der Musiksendung war zugleich der erste Fernsehauftritt der Gruppe überhaupt.

Vom 5. bis 20. Juni 1964 absolvierten die Stones ihre erste USA-Tournee, wobei sie auf dem John F. Kennedy International Airport wie zuvor im Februar The Beatles von kreischenden Fans empfangen wurden und anschließend eine Pressekonferenz gaben. Sie nahmen auch erstmals Songs in den Chess-Studios in Chicago auf[36] und versuchten, den Sound ihrer Blues-Vorbilder einzufangen. Hier lernten sie auch ihr Idol Muddy Waters kennen, während er die Studiodecke strich.[37][38] Die Hälfte der Titel auf der LP 12×5 wurde hier aufgenommen; einer dieser Songs trug den Titel 2120 South Michigan Avenue, die Adresse des Studios.[39] Im Laufe der Jahre 1964 bis 1965 nahmen die Rolling Stones rund zwanzig weitere Songs bei Chess Records auf.[40] Bei dieser Gelegenheit lernte Marshall Chess, der Sohn des Studioinhabers Leonard Chess, der in der Versandabteilung von Chess Records arbeitete, Mick Jagger kennen. Nach seinem Weggang von Chess Records im Jahre 1969 gründete Marshall Rolling Stones Records und war sieben Jahre lang dessen Präsident. Er half dabei, das berühmte Zungen- und Lippenlogo der Rolling Stones zu kreieren und war in den 1970er Jahren als a