Glenn Gould ¦ Bach: The Goldberg Variations
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Release
Veröffentlichung Bach: The Goldberg Variations:
1956
Hörbeispiel(e) Bach: The Goldberg Variations:
Bach: The Goldberg Variations auf Wikipedia (oder andere Quellen):
Die Goldberg-Variationen sind ein Werk Johann Sebastian Bachs (BWV 988) für Cembalo. Im von Bach selbst veranlassten Erstdruck aus dem Jahr 1741 wurde es als Clavier Ubung bestehend in einer ARIA mit verschiedenen Verænderungen vors Clavicimbal mit 2 Manualen bezeichnet.[1] Die Benennung nach Johann Gottlieb Goldberg entstand posthum aufgrund einer Anekdote.[2]
Die Goldberg-Variationen stellen einen Höhepunkt barocker Variationskunst dar. Das Werk zeichnet sich durch einen planvollen Gesamtaufbau mit regelmäßig eingefügten, in den Oberstimmen streng kanonischen Sätzen aus. Den inneren Zusammenhang der Variationen untereinander liefert das gemeinsame Bassthema. Jeder Einzelsatz besitzt einen eigenen Charakter. Die Haupttonart ist G-Dur.
Entstehung und Namensgebung
Die genaue Entstehungszeit des Werkes ist unbekannt. Es wurde im Herbst 1741[3] in Nürnberg von Balthasar Schmid (1705–1749) gestochen und verlegt. Bachs Autograph existiert nicht mehr. Große Beachtung fand daher ein 1975 aufgefundenes, einwandfrei Bach zuzuschreibendes Handexemplar des Erstdruckes, das neben kleinen Korrekturen auch 14 Kanons in Bachs Handschrift enthält.[4]
Der Name Goldberg-Variationen (auch Goldberg’sche Variationen) etablierte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Er wurde nach einem anekdotischen Bericht in Johann Nikolaus Forkels Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke von 1802 gebildet. Laut Forkel sei Bachs Aria mit verschiedenen Veränderungen für den russischen Gesandten am Dresdner Hof, den mit der Familie Bach befreundeten Grafen Hermann Carl von Keyserlingk, verfasst worden. Der in dessen Diensten stehende Cembalist Johann Gottlieb Goldberg, ein hochbegabter Schüler Wilhelm Friedemann Bachs und Johann Sebastian Bachs, sollte dem Grafen daraus vorspielen:[2]
„Einst äußerte der Graf gegen Bach, daß er gern einige Clavierstücke für seinen Goldberg haben möchte, die so sanften und etwas muntern Charakters wären, daß er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte. Bach glaubte, diesen Wunsch am besten durch Variationen erfüllen zu können, die er bisher, der stets gleichen Grundharmonie wegen, für eine undankbare Arbeit gehalten hatte.“
Dieser Bericht geht wahrscheinlich auf Informationen der beiden ältesten Bachsöhne zurück.[5] Eine weitere Quelle wurde nicht aufgefunden. Zwei wichtige Argumente lassen am Wahrheitsgehalt des Berichts zweifeln: Die gedruckte Fassung der Variationen enthält einerseits keine Widmung, etwa eine förmliche Widmung an Keyserlingk. Zum anderen war Johann Gottlieb Goldberg 1740 erst 13 Jahre alt und damit technisch kaum in der Lage, dieses anspruchsvolle Werk adäquat zu bewältigen.
Daher ist der Wahrheitsgehalt von Forkels Bericht umstritten. Forkel habe einen späteren, romantischen Kunstbegriff des beginnenden 19. Jahrhunderts auf Bachs Motive und die Kunstauffassung seiner Epoche angewendet.[6] Sein Bericht widerspricht allerdings nicht der heute meist vertretenen Meinung, die Komposition sei von Anfang an als Teil – und krönender Abschluss – der Clavierübung geplant worden.[7] Doch selbst hierbei gibt es keine Sicherheit; denn der Druck von Teil IV der Clavier-Übung von 1741 wurde – anders als Teil II und III und genauso wie Teil I von 1731 mit seinen Vorveröffentlichungen – nicht in die laufende Nummerierung Bachs aufgenommen. Allerdings legen identische, sich nur in der Rechtschreibung unterscheidende Formulierungen auf den Titelblättern die Zusammengehörigkeit sämtlicher Clavier-Übungen nahe. Auf dem Titelblatt von Bachs OPUS 1 heißt es: Clavir-Ubung / bestehend in / Præludien, Allemanden, Couranten, Sarabanden, Giguen, / Menuetten, und anderen Galanterien ; / Denen Liebhabern zur Gemüths-Ergetzung verfertiget / von / Johann Sebastian Bach […][8]
Aufbau und Struktur
Satzüberschriften des Originaldrucks (Bachs spätere Zusätze in seinem Handexemplar in Klammern) | |
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Der einleitenden Aria folgen – in zwei Teile unterteilt – 30 Variationen, die sich jedoch kaum an der Melodie der Arie, sondern nahezu ausschließlich an ihrer 32-taktigen Basslinie orientieren. Jede dritte Variation enthält einen Kanon, wobei das Intervall der kanonischen Stimmen stetig wächst. Die aufsteigende Intervallfolge ist vom Einklang über Sekunde, Terz, Quarte usw. bis zur None angeordnet.
Die 16. Variation – eine Ouverture – markiert den Beginn des zweiten Teiles der Variationenreihe. Die 30. Variation weicht von der strengen Anordnung ab. Statt eines Dezimenkanons setzt Bach hier ein Quodlibet ein, das zwei Volkslieder kunstvoll kontrapunktisch ineinander verwebt.
Ein da Capo der im Erstdruck nicht nochmals wiedergegebenen Aria schließt den Zyklus ab.
Dadurch ergibt sich folgende Großdisposition:
1. Teil: 16 Sätze | 2. Teil: 16 Sätze | ||||||||||
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Aria | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | 3 Variationen | Aria |
Binnengliederung der zehn Dreiergruppen | ||
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freie Variation | freie Variation | Kanon bzw. Quodlibet |
Der symmetrische Aufbau und die schematische Binnengliederung bilden das Gerüst für vielfältige musikalische Gestalten (Bach im Handexemplar: verschiedene Verænderungen). Die Varietas der Variationen kommt beispielsweise durch unterschiedliche Satztypen, Tempi, Taktarten, Tongeschlechter, Spielweisen und die unterschiedliche Gestaltung der Intervallkanons zustande.
Einzelanalysen
Aria
Die Aria ist der einzige Satz des Werkes, von dem es eine frühere, handschriftliche Fassung gibt. Diese weicht nur in unwichtig erscheinenden Kleinigkeiten von der gedruckten Aria ab.[9] Sie wurde von Anna Magdalena Bach ohne Titel in ihr zweites, 1725 begonnenes Notenbüchlein eingetragen. Dabei gelangte der Satz auf zwei bis dahin freie Leerseiten zwischen Auf- und Abgesang eines schon früher notierten Liedes. Seit Arnold Schering aufgrund von stilkritischen Untersuchungen die Meinung vertrat, Bach könne nicht der Autor der Aria oder ihrer Vorlage sein, hält die Auseinandersetzung um deren Herkunft an. Dabei spielt auch der vermutliche Zeitpunkt der Niederschrift eine Rolle. Anna Magdalenas Handschrift lässt vermuten, sie habe die Noten zwischen 1735 und 1741 eingetragen.[9] Damit kann der titellose Satz in direkter zeitlicher Verbindung mit der Komposition des Variationenwerkes gesehen werden. Gegen Bachs Urheberschaft wird vor allem das überreiche, ausführliche Auszieren von Melodie und Unterstimmen nach französischer Manier angeführt, für Bachs Urheberschaft spricht die besondere Qualität des weit ausgesponnenen Bassfundaments, dessen ersten acht Takten Bach in seinem Handexemplar durch die Niederschrift von vierzehn Kanons weitere große Bedeutung gegeben hat.[10] Auch versteckte melodische Anspielungen an die Variation 30, das Quodlibet, wurden angeführt.[11]
Der italienische Name Aria meint in diesem Falle nicht etwa eine stilisierte Opernarie, sondern einen Typ von Instrumentalsatz, wie er im italienischen und deutschen Barock etwa seit Girolamo Frescobaldi (Aria detta la Frescobalda von 1627) des Öfteren als Thema für Instrumentalvariationen genommen wurde. Dabei hat neben der meist gesanglichen Melodie vor allem das harmonische Gerüst über einem oft ostinaten Bass konstituierende Bedeutung.[12] Vergleichbares zeigt beispielsweise Georg Friedrich Händels reichverzierte Air als Thema nachfolgender Variationen in dessen 1720 veröffentlichter Cembalo-Suite d-Moll (HWV 428). Nach Christoph Wolff weist der Anfangsteil der Bassstimme mit dem Ostinato-Bass von Händels Werk Chaconne avec 62 veriations HWV 442 eine Ähnlichkeit auf.
Die Aria der Goldberg-Variationen ist zweiteilig (forma bipartita aus jeweils wiederholten 16+16 Takten). Die Zahl der 32 Takte korrespondiert mit der Zahl der 32 Sätze. Die Aria gleicht dem Satztyp einer gravitätischen Sarabande.[13] Ihre reiche, genau ausgeschriebene Ornamentik verweist auf François Couperin.
Ein besonderes Gewicht erhält diese Aria, weil sie nicht nur dem Zyklus voransteht und dessen Fundamentalbass liefert, sondern das Werk auch in einem da Capo beschließt. Damit folgt Bach einer barocken Praxis, in der die variierte Melodie in der letzten Variation noch einmal klar herausgestellt wird.[14]
Fundamental-Noten
Die Aria und die meisten Variationen besitzen Basslinien, die auf 32 Fundamental-Noten[15] zurückgeführt werden können. Bei Variatio 18 wurden einige Fundamental-Noten in die Oberstimmen versetzt. Manchmal erscheinen diese auf die beiden Stimmen von zwei Klaviaturen verteilt wie in Variatio 20 oder geraten beim Überkreuzen der Hände in höhere Stimmlagen wie in Variatio 17. Wie in der nachfolgend gezeigten Idealform kommen sie allerdings nirgends vor. Manchmal sind sie vom Taktanfang fortgerückt oder werden durch andere Töne der dazugehörigen Akkorde ersetzt.[16]
Die 32 Takte lassen sich in gleich große Abschnitte teilen. Jeweils am Ende der Teile steht eine Kadenz.
Harmonische Grobgliederung | |||
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Takte 1–8 | Takte 9–16 | Takte 17–24 | Takte 25–32 |
Kadenz in G | Kadenz in D | Kadenz in e | Kadenz in G |
Viele Variationen entsprechen dieser schlichten harmonischen Gliederung. In einzelnen Variationen kommen weitere harmonische Mittel wie Zwischendominanten, Ausweichungen und neapolitanischer Sextakkord vor. Die Moll-Variationen besitzen ihrem Tongeschlecht entsprechend das Grundschema g–D–Es–g.
Bachs Anwendung der Fundamental-Noten unterscheidet sich vom bis dahin vorherrschenden Usus, bei Variationen das harmonische Gerüst über dem Bass möglichst unverändert zu belassen und mit den Basstönen die erste Zählzeit der Takte zu markieren, und gelangt zu einer ziemlich freien, variablen Verwendung der überkommenen Mittel.[16]
Das zeigt sich beispielsweise beim Vergleich der Goldberg-Variationen mit Georg Friedrich Händels auch in G-Dur stehender, zwischen 1703 und 1706 entstandener und 1730 und 1733 veröffentlichter Chaconne mit 62 Variationen (HWV 442). Deren Bassfundament beschränkt sich auf acht Töne und entspricht den ersten acht der zweiunddreißig Bach’schen Fundamental-Noten. Händel komponierte als letzte Variation dieser Chaconne einen zweistimmigen Kanon – allerdings ohne Bassfundament. Dieser Umstand hat dennoch dazu geführt, anzunehmen, Bach habe Händels Chaconne gekannt und als direkte Anregung zur Komposition der Goldberg-Variationen und der damit verbundenen Vierzehn Canones genommen.[7] Doch keinerlei Quellen unterstützen diese Theorie.
Dagegen ist belegt, dass Bach Girolamo Frescobaldis Fiori musicali besaß und Dietrich Buxtehudes Variationenwerk kannte und damit mit den Traditionen von Variationenwerken über ostinaten Bässen vertraut war, zu denen beispielsweise auch Kompositionen von Henry Purcell[17] und François Couperin[18] gehören. Frescobaldi benutzte nicht nur ostinate Bässe, sondern er variierte in der Bergamasca aus den Fiori musicali zudem die Bergamasca-Melodie, die dem von Bach verwendeten Lied Kraut und Rüben … zugrunde liegt.[19]
Der einzige Bach bekannte Komponist, der ein ähnlich weitgespanntes Harmonie- und Bassgerüst benutzt hatte, war Johann Christoph Bach (1642–1703) mit seiner Sarabanda duodecies variata.[20]
Kanons und frei imitierende Polyphonie
Jede dritte Variation ist ein Kanon. Es handelt sich um sogenannte Intervall-Kanons, bei denen die Kanonstimmen in einem jeweils größeren Intervall zueinander beginnen und zwar von der Prime (von Bach all'Unisuono genannt) bis zur None. Alle Kanons sind zweistimmig und werden, außer dem Kanon in der None, von einer dritten Stimme, einem der Basslinie der Aria verpflichteten Bass, begleitet. Variatio 12 und Variatio 15 enthalten Umkehrungskanons und zwar Variatio 12 in der Unterquarte und Variatio 15 in der Oberquinte.
Diese Clavier-Kanons sind ohne direktes Vorbild, also Bachs ureigene Formschöpfung.
Auch die nichtkanonischen Variationen sind durchdrungen von polyphonen Satztechniken und können im Vergleich mit den Kanons als frei imitierend bezeichnet werden. Vor allem drei Satzarten sind zu nennen: Invention oder Duetto, Fuge bzw. Fugato und ganz allgemein der Stile antico, der von der alten polyphonen Vokalmusik herkommt und durch eine Notation in großen Notenwerten und im Alla-breve-Takt gekennzeichnet wird.[21][22] Darüber hinaus kommen polyphone Formen vor, die keinem bisherigen Schema zugeordnet werden können.
- In der Satzart von Inventionen sind beispielsweise Variatio 1, Variatio 8, Variatio 11 und Variatio 17.
- Fugenartig sind die Variatio 10 (Fugetta)[23] und das Fugato in Variatio 16.
- Dem Stile antico verpflichtet sind Variatio 10, Variatio 18 und Variatio 22.
- Freie Polyphonie ohne vorgegebenes Schema findet sich beispielsweise in Variatio 4 und Variatio 19
Stilisierungen
Einige Variationen lehnte Bach an bekannte Formen, Gattungen und Satztypen an.
Beispiele:
- Polonaise: Variatio 1 wird geprägt vom Rhythmus einer Polonaise (Takt 1, Unterstimme), der – abtaktig eingesetzt – zum ausgeschriebenen Mordent wird (Takt 1, Oberstimme).[24]
- Passepied: Variatio 4, es fehlt allerdings der charakteristische Achtel-Auftakt.[25]
- Gigue (französischer Typ): Variatio 7 erhielt von Bach selbst in seinem Handexemplar den Zusatz al tempo di Giga. Dennoch ist sie eine französische Gigue vom Canarie-Typ.[26]
- Giga (italienischer Typ): Variatio 11 mit dem 12/16-Takt und den laufenden 16tel-Noten.[27]
- Menuett: Variatio 19 und Variatio 27; auch in französischer Clavecin-Musik kommen häufiger Menuette im 3/8-Takt vor.[28][29]
- Sarabande: Variatio 26 ist eine dreistimmige pièce croisée mit zweierlei Taktarten für die beiden Hände. Die zweistimmig gegriffene Sarabande erhält jeweils einen 3/4-Takt, die lauffenden Noten erhalten einen 18/16-Takt.[30]
- Triosonate: Variatio 2 gleicht mit ihren imitierend geführten zwei Oberstimmen und der Basslinie dem Satz einer Corelli’schen Triosonate.[31][32]
- Fughetta: Variatio 10 eine kleine Fuge mit periodischem Bau. Die Melodik weist deutlich auf die Bergamasca des Quodlibets voraus.[33]
- Aria: Variatio 13 gleicht einer Arie im Stile monodico.[34]
- Französische Ouvertüre: Variatio 16 mit typischer Punktierung im langsamen alla breve und mit schnellem Fugato im 3/8-Takt.
- Toccata: Variatio 29 entspringt der italienischen Toccata-Tradition.[35]
- Lamento: Variatio 21 und Variatio 25 zeigen die typischen chromatisch ausgefüllten absteigenden Quarten im Bass. Siehe unten das Kapitel „Mollvariationen – tertiam minorem oder Re Mi Fa betreffend“.
- Stile antico: siehe oben im Kapitel „Kanons und frei imitierende Polyphonie“.
- Quodlibet: Variatio 30 wird unten gesondert besprochen.
Bravourstücke
Die bravourösen Sätze können als Hommage an Domenico Scarlatti gesehen und gehört werden, dessen Essercizi 1738 im Druck erschienen sind.[36] Geprägt sind Bachs virtuose, dem entsprechende Variationen vom Überschlagen der Hände, das Carl Philipp Emanuel Bach 1731 eine „sehr eingerissene Hexerey“ genannt hat, und vom Kreuzen der Hände (pièce croisée). Dazu gehören Variatio 5, Variatio 14, Variatio 20, Variatio 23 und Variatio 28.[37]
Mollvariationen
Einen besonderen Affect erhielten innerhalb der Variationenreihe die drei g-Moll-Variationen (nach Bachs Sprachgebrauch im Titel des Wohltemperierten Klaviers Variationen tertiam minorem oder Re Mi Fa betreffend). Sie werden durch eine dissonanzenreiche Chromatik mit vielen Vorhalten (‚Seufzern‘) – vor allem in Variatio 15 – und der bei Variatio 21 und Variatio 25 chromatisch ausgefüllten, abwärts führenden Quarte zu Lamentos im affectus tristitiae (Klagen im Affekt der Traurigkeit).[38] Den ähnliche Züge tragenden chromatischen 11. Kanon des Handexemplars (siehe unten) hat Bach 1747 in ein Stammbuch eingetragen und mit einer Beischrift versehen, die auf die g-Moll-Variationen übertragen werden kann:
Symbolum. / Christus Coronabit Crucigeros. („Christus wird die Kreuztragenden krönen.“)[39]
Quodlibet
Über die Gepflogenheiten der Bach’schen Großfamilie, sich bei ihren Zusammenkünften am gemeinsamen Stegreifsingen von Quodlibets zu delektieren, berichtet Forkel:
„Sie sangen nehmlich nun Volkslieder, theils von possierlichem, theils auch von schlüpfrigem Inhalt zugleich mit einander aus dem Stegreif so, daß zwar die verschiedenen extemporirten Stimmen eine Art von Harmonie ausmachten, die Texte aber in jeder Stimme andern Inhalts waren. Sie nannten diese Art von extemporirter Zusammenstimmung Quodlibet, und konnten nicht nur selbst recht von ganzem Herzen dabey lachen, sondern erregten auch ein eben so herzliches und unwiderstehliches Lachen bey jedem, der sie hörte.“
Dieser Bericht und die Texte der im Quodlibet der Goldberg-Variationen anklingenden Lieder beleuchten die letzte Variation des Zyklus in bürgerlich behäbiger Weise. Zum Bassthema erklingen nämlich Bruchstücke von zwei Gassenhauern der Bachzeit, den thüringisch-sächsischen Volksliedern Ich bin so lang nicht bei dir g(e)west, ruck her, ruck her, ruck her und Kraut und Rüben haben mich vertrieben.[40]
Doch für irgendeine Art von Improvisation ist in diesem Stück kein Platz. Es ist bis in alle Einzelheiten sorgfältigst ausgefeilt. Trotz der Vielfalt an Motiven wirkt das Quodlibet sehr einheitlich.[41] Jenseits der Beschaulichkeit eines humorvollen Abschieds und Kehraustanzes, wie ihn die Volksmelodien nahelegen, zeigen sich bei genauerer Analyse weitaus bedeutendere Bezüge. Denn die Kraut-und-Rüben-Melodie ist eine Variante der traditionellen Bergamasca-Melodie, die zusammen mit einem ostinaten Bass Thema unzähliger Variationen war. Über Buxtehudes La Capricciosa, Frescobaldis Aria di Romanesca und Scheidts Canzon à 5 Voci ad imitationem Bergamasc reicht die Tradition bis ins 16. Jahrhundert zurück. Die Melodie ist seit 1570 belegt.[42]
Ein Blick zurück auf die vorherigen 29 Variationen und die Aria zeigt, dass die Melodiestruktur der Anfangstakte der ‚Kraut-und-Rüben-Melodie‘ über den Kadenzformeln gelegentlich vorkommt.[33] Dass es sich hierbei um eine geplante Gestaltung handelt, lässt sich nicht belegen, doch dass Bach sich des Zusammenhangs zwischen seinem Quodlibet und der Bergamasca-Tradition bewusst war, kann vor allem wegen seiner Kenntnis der entsprechenden Werke Frescobaldis und Buxtehudes als sicher gelten.[43]
Übersicht
Variation | Kanon | Taktart | Anzahl Stimmen | Tonart | Stilisierung nach Dammann | Claviere | Registrierungsempfehlung nach Dammann (x-chörig = x-chöriges Cembalo | Tempoempfehlung nach Dammann | Bemerkungen |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aria | 3⁄4 | (3) | G-Dur | gravitätische Sarabande[44] | 1 | 1. Teil: I 8', Wiederholung II 8' 2. Teil: rechts I 8', links II 8', ab Takt 25 beide II 8' | ~52 | ||
1 | 3⁄4 | 2 | G-Dur | Polonaise[45] | 1 | 3-chörig: I 8' 4-chörig: I 8', II 4'+ Koppel | Allegro moderato, ~72 | ||
2 | 2⁄4 | 3 | G-Dur | Triosonate à la Corelli[46] | 1 | Andante oder Allegro moderato, ~69 | |||
3 | Prime | 12⁄8 | 3 | G-Dur | Pastorale[47] (quasi Fagott & 2 Oboen)[48] | 1 | .~138 | Ähnlichkeiten zur Sinfonia von | |
4 | 3⁄8 | 4 | G-Dur | Passepied[50] | 1 | 3-chörig: II 8' 4-chörig: II 8' + 4' | ~132 | ||
5 | 3⁄4 | 2 | G-Dur | Hommage à Domenico Scarlatti[51] | 1 oder 2 | ~96 | |||
6 | Sekunde | 3⁄8 | 3 | G-Dur | Streicher-Duktus[52] | 1 | Gebrauch von Chromatik ohne für Bach typische pathopoetische Bedeutsamkeit[53] | ||
7 | 6⁄8 | 2 | G-Dur | Canarie alla Siciliano[54] | 1 oder 2 | 3-chörig: rechts I 4'+Koppel, links 82 oder: rechts 81 + 4', links 82 4-chörig: rechts 81, links 82 | ~168 | ||
8 | 3⁄4 | 2 | G-Dur | opernhaft mit Concerto-Gestus[55] | 2 | 3-chörig: rechts I 8' + 4', links II 8' (Manualtausch bei Wiederholung) 4-chörig: rechts II 8' + 4', links I 8' | gemäßigtes Allegro, ~76 | ||
9 | Terz | 3 | G-Dur | "seraphisch" "verzückt"[56] | 1 | II 8' | ~52 | ||
10 | 4 | G-Dur | auf dem Stile antico aufbauend, aber mit martialischem Idiom[57] | 1 | 3-chörig: I 8' + 4' 4-chörig: I 8' + gekoppelt II 4' | ~72 | |||
11 | 12⁄16 | 2 | G-Dur | Giga mit Elementen von Pastorale und Siciliano[27] | 2 | rechts II 8', links I 8' 3-chörig: Manualtausch bei Wiederholung | .~88 | Dammann imaginiert etwa zwei Schmetterlinge oder zwei federleichte Balletteusen, die am Ende im Dreiklang zusammenfinden[58] | |
12 | Quarte (motu contrario) | 3⁄4 | 3 | G-Dur | (1) | I 8' | ~52 | ||
13 | 3⁄4 | 3 | G-Dur | ornamentiertes Arioso im Stile monodico[34] | 2 | 3-chörig: rechts I 4' (Oktave tiefer), links II 8' mit Lautenzug 4-chörig: rechts II 4' (Oktave tiefer), links I 16' (Oktave höher) | Andante, ~69 | ||
14 | 3⁄4 | 2 | G-Dur | 2 | 3-chörig: rechts I 8' + 4', links II 8' (zweiter Teil umgekehrt) 4-chörig: rechts I 8', links II 8' | ~80-88 | Versatilität als Kerngedanke[59] | ||
15 | Quinte (motu contrario) | 2⁄4 | 3 | g-moll | Musica pathetica[60] | 1 | Aufgrund seines Ausdrucksgehalts (vanitas mundi) und seiner Position im Zyklus liegt der Kerngedanke Media vita in morte sumus nahe[61] | ||
16 | ,3⁄8 | (3) | G-Dur | Französische Ouvertüre[62] | 1 | 3-chörig: I 8' + 4' 4-chörig: I 8', II 8', 4', Koppel auf I, im zweiten Teil evtl. auf II | Entsprechend der Französischen Ouvertüre sind die Punktierungen doppeltscharf zu spielen[63] | ||
17 | 3⁄4 | 2 | G-Dur | mechanistische Figurationen mit Orgelliteratur als Vorbild[64] | 2 | 3-chörig: rechts II 8', links I 8' + 4', Manualtausch bei Wiederholung 4-chörig: rechts II 8' + 4', links I 8' + 16' | ~84 | ||
18 | Sexte | 3 | G-Dur | Stile antico, durchdrungen von Zügen des französischen Balletts[65] | 1 | ~72 | Dammann vergleicht den Satz mit einem himmlischen Tanzreigen oder dem Gesang der drei Engel[65] | ||
19 | 3⁄8 | 3 | G-Dur | Menuett[28] | 1 | 3-chörig: II 8' 4-chörig: II 8' + 4' | ~144 | ||
20 | 3⁄4 | 2 | G-Dur | alla Domenico Scarlatti[66] | 2 | rechts II 8', links I 8', 3-chörig: Manualtausch bei Wiederholung | ~76 | Am Ende der beiden Hälften kommen durch triolisch gebrochene Dreiklangsverschiebungen quasi Quintparallelen vor[67] | |
21 | Septe | 3 | g-moll | Lamento | (1) | 3-chörig: I 8' 4-Chörig: I 8' + 16' | ~72 | ||
22 | 4 | G-Dur | höfische Grandezza | 1 | I 8' + 4' und II 8' mit Koppel | ~66-72 | |||
23 | 3⁄4 | (2) | G-Dur | "Scherzo" "grotesquement"[68] | 2 | 3-chörig: rechts I 4' + 8'2 Lautenzug + Koppel, links II 8' Lautenzug 4-chörig: rechts I 8', 16' Theorbenzug, links II 8' Lautenzug, 4' (evtl. + Koppel) | ~72 | Nach Dammann das "ingeniöse enfant terrible" des Zyklus, Vergleich mit "Poltergeistern"[68] | |
24 | Oktave | 9⁄8 | 3 | G-Dur | "Schlummerlied" im Bannkreis von Siciliano und Pastorale[69] | 1 | I 8' | Larghetto, ~152 | Die Trillerketten können als "onomatopoetisches Quirilieren der Vögel" wahrgenommen werden[70] |
25 | 3⁄4 | 3 | g-moll | violinistischer Duktus, affectus dolorosus[71] | 2 | rechts I 8' mit Koppel, links II 8' | ~72 | Anklänge an Nr. 39 der Matthäus-Passion[71] | |
26 | 18⁄16X3⁄4 | 3 | G-Dur | stilisierte Sarabande[72] | 2 | I 8' + 4', II 8' (mit differenziertem Wechsel[72]) | ~76 | Nach Dammann die "ungewöhnlichste, weil brillanteste Sarabande, die je geschrieben wurde"[72] | |
27 | None | 6⁄8 | 2 | G-Dur | "musikalisches Aperçu" mit "giguenähnlicher Serenität"[73] | 2 | rechts II 8', links I 8', Manualtausch bei Wiederholung empfehlenswert | .~52-58 | Das einzige "pure" Duett des Zyklus[74] |
28 | 3⁄4 | (2-5) | G-Dur | Triller-Variation[75] | 2 | 3-chörig: rechts II 8', links I 4', Manualtausch bei Wiederholung 4-chörig: rechts II 8' Laute + 4', links I 8' | Dammann mutmaßt, dass es sich bei den obligatorischen Trillern und Doppeltrillern, die das Stück bestimmen, im Sinne des Locus amoenus um die Schilderung etwa sprudelnder Bäche oder zwitschernder Vögel handeln könnte[76] | ||
29 | 3⁄4 | (2) | G-Dur | Toccata im italienischen Stil[35] | 1 oder 2 | 3-chörig: rechts II 8' + Koppel, links I 8' + 4' (mit differenziertem Wechsel[77]) 4-chörig: I 8', II 8', 4' + Koppel | Laut Dammann mag Bach das Bild von mächtigen höfischen Springbrunnen geleitet haben[77] | ||
30 | 4 | G-Dur | instrumentales Quodlibet[78] | 1 | 3-chörig: II 8' Laute + I 4' Koppel 4-chörig: II 4', I 16' + Koppel, auf dem I. Manual zu spielen | Andante, ~52 |
Johann Sebastian Bachs Handexemplar
1975 wurde in Straßburg Bachs persönliches Handexemplar der Goldbergvariationen entdeckt. Es enthält neben einer Reihe sorgsam eingetragener zusätzlicher Tempovorschriften, Verzierungen, Artikulationszeichen und Vorzeichen auch vierzehn „Verschiedene Canones über die ersten acht Fundamental=Noten vorheriger Arie. von J. S. Bach“ (BWV 1087) in Reinschrift.[79][80]
Dieselben acht Noten finden sich auch in der dem Betrachter zugewandten untersten Zeile des Notenblatts, das Bach in dem Ölgemälde von Elias Gottlob Haußmann von 1746 in der Hand hält und auf dem der Canon triplex a 6 V[ocibus]. steht.
Möglicherweise deuten die Korrekturen und die Ergänzungen mit den vierzehn Kanons an, dass Bach eine Neuauflage plante.[4]
Siehe auch: Verschiedene Canones
Musikgeschichtliche Einordnung
„Die Goldberg-Variationen sind ein eminent geschichtshaltiges Werk. Zweihundert Jahre Musikgeschichte sind in sie eingegangen, und sie wirken bis heute in die Musikgeschichte hinein. Sie sind zudem ein Werk der Synthese. ‚Ars musica‘ und Spiel, Kanon und Variation, ‚Adagio‘ und Quodlibet werden zu einem Ganzen zusammengefaßt.“
In Bachs Goldberg-Variationen treffen sich italienische, französische und deutsche Traditionen der Clavier-Musik. Darüber hinaus erfassen sie stilisierend auch Kompositionsweisen und Formen der vokalen und instrumentalen Ensemblemusik. Wie dargelegt reicht das Spektrum von einfachen Volksliedern bis zu gelehrten polyphonen Techniken und von Gesanglichem bis zu ganz aus der Technik des Claviers Erfundenem. In einer überlegen disponierten Ordnung versammelt das Werk viele Stücke aus der Musikgeschichte und aus seiner eigenen Zeit bekannte Musikarten zu einer lebendigen Einheit. Die Goldberg-Variationen geben „eine überzeugende Demonstration dessen, daß kunstvoller Bau und natürliche Anmut einander keineswegs ausschließen.“[82]
Da die Goldbergvariationen bereits 1741 gedruckt vorlagen und vor allem dank Forkels Anekdote und seinem Einsatz für die Neuauflage Bach’scher Klaviermusik nie in Vergessenheit gerieten, gelangten sie bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ins Bewusstsein der Musikliebhaber und der Komponisten. Heute dienen sie der Ausbildung von Cembalisten und Pianisten und haben einen festen Platz in deren Konzertrepertoire und Einspielungen auf Tonträger.
Editionen und Bearbeitungen
Nach dem Erstdruck von 1741 wurden die ersten weiteren Drucke 1804 veröffentlicht. Sie erschienen bei Hoffmeister & Kühnel, Bureau de Musique und bei Hans Georg Nägeli im Heft 7 der Reihe Musikalische Kunstwerke. im strengen Stÿle. Bereits in diesen Ausgaben kündigte sich an, was in der Folgezeit öfter geschah: der Notentext wurde verändert. Grund dafür war hauptsächlich die Übertragung auf das Pianoforte mit nur einer Klaviatur.[83]
Das ist auch zu beobachten in der mit Fingersätzen versehenen Ausgabe Carl Czernys von 1840 in Oeuvre complets. Livre 6, bei C. F. Peters.[84]
Teilweise gravierend griff Josef Gabriel Rheinberger bei seiner Bearbeitung für zwei Klaviere aus den Jahren 1880 bis 1885 in den Notentext ein. Er hatte u. a. das Ziel, einen „Schatz der Hausmusik“ anbieten zu können.[83] 1913 revidierte Max Reger diese Bearbeitung und ergänzte sie beispielsweise durch Angaben zu Dynamik, Artikulation und Tempo.[85]
Ferruccio Busoni dagegen wollte mit seiner Bearbeitung von 1914 die Goldberg-Variationen für den Konzertsaal „retten“. Er empfahl radikale Kürzungen: die Wiederholungen und etliche Kanons sollten gestrichen werden. Variatio 29, das Quodlibet und die Wiederholung der Aria fasste er in einem großen, wirkungsvollen Finale zusammen. Allerdings bot er zum Vergleich auch die Fassung der damaligen Bach-Gesamtausgabe an.[83]
Das Werk hat zahlreiche weitere Komponisten, Dirigenten und Instrumentalmusiker zu mehr oder weniger freien Bearbeitungen angeregt.
Beispiele:
- 1926: Wilhelm Middelschulte – Bearbeitung für Orgel
- 1938: Józef Koffler – Bearbeitung für Kammerorchester
- 1984: Dmitri Sitkovetsky – Bearbeitung für Streichtrio (Violine, Viola und Violoncello), rev. 2009, und auch für Streichorchester (1992)
- 1987: Jean Guillou – Bearbeitung für Orgel
- 2000: Uri Caine – Bearbeitung für verschiedenste Besetzungen und Stile (Mozart, Tango, Wedding March, Jazz-Piano, Hammondorgel)
- 2000: Jacques Loussier Trio – Play Bach
- 2000: Moritz Eggert – Goldberg spielt für Klavier und Ensemble
- 2003: Karlheinz Essl – Gold.Berg.Werk für Streichtrio und Live-Elektronik[86]
- 2006: Sebastian Gramss – Goldberg (underkarl)
- 2007: Jukka Tiensuu – Erz für Akkordeon Solo, ergänzende Sätze, die zwischen die Originalvariationen eingeschoben werden
- 2009: Jochen Neurath – Bearbeitung für Orchester
- 2010: Federico Sarudiansky – Bearbeitung für Streichtrio (Violine, Viola und Violoncello)[87]
Zudem gibt es Einspielungen mit Akkordeon, Blechbläser-Ensemble, Flöten-Trio, Gitarre, Streicher-Ensemble oder gar zwei Cimbalons.
Im Gegensatz zu diesen Tendenzen stehen die Bach-Gesamtausgaben. Die Edition der Goldberg-Variationen von 1853 in Band III der ‚alten‘ Bach-Gesamtausgabe war – obwohl noch ohne kritischen Apparat – ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer wissenschaftlich abgesicherten, textkritischen Edition für Wissenschaft und Praxis. Diese ist nach dem Auffinden von Bachs Handexemplar im Jahr 1975 mit der Herausgabe in der Neuen Bach-Ausgabe unter der Obhut von Christoph Wolff zumindest vorläufig erreicht.
Musikalische Interpretation
Das Werk fordert insgesamt eine hohe Virtuosität und gilt als eine der schwierigsten Klavierkompositionen Bachs. Für Interpreten, die statt des vorgesehenen Cembalos ein modernes Klavier verwenden wollen, gilt dies besonders, da das Werk für ein zweimanualiges Instrument komponiert wurde und sich die Ausführung mit nur einer Klaviatur stellenweise als schwierig erweist.
Als bekanntester Interpret der Neuzeit gilt der kanadische Pianist Glenn Gould, der das Werk zweimal im Studio mit dem modernen Konzertflügel aufgenommen hat. Bewundert werden die Einspielungen von Grigori Sokolow und András Schiff und Ragna Schirmer (Cembalo). Darüber hinaus gibt es viele andere Cembalo- und Klavieraufnahmen.[88] Hermann Keller schreibt 1950:[89]
„Der zusammenhängende Vortrag des Werks stellt ungewöhnliche Anforderungen an den Hörer, noch mehr an den Spieler. Der Cembalist wird alle Künste der Registrierung spielen lassen, der Spieler auf dem modernen Flügel wird aber die Mehrzahl der zweimanualigen Variationen nur mit Oktavversetzungen und anderen Kunstgriffen sich adaptieren können. Die Bearbeitung für zwei Klaviere von Josef Rheinberger (1881, neue Ausgabe von Max Reger, 1910) ist besonders für das häusliche Musizieren noch heute zu empfehlen. Immer mehr aber setzt sich die Erkenntnis durch, daß das Cembalo mit zwei Manualen für dieses monumentale und doch intime Werk der einzig angemessene Vermittler ist.“
Goldberg-Variationen in der Literatur
- 1814 erschienen E. T. A. Hoffmanns Kreisleriana als Teil der Fantasiestücke in Callots Manier. Im ersten Stück daraus, Johannes Kreislers, des Kapellmeisters, musikalische Leiden, führt der fiktive Kapellmeister Kreisler die Unfähigkeit einer bürgerlich-biedermeierlichen Gesellschaft, große Kunst und Musik zu erfassen, vor, indem er ihr die „Johann Sebastian Bachschen Variationen für das Klavier, erschienen bei Nägeli in Zürich“ vorspielt.[90] Alleine mit seinem musikverständigen Diener und rotem Burgunder lässt er sich dann vom Quodlibet zum Fantasieren anregen:
„[…] aber diese Nro. 30, das Thema, riß mich unaufhaltsam fort. Die Quartblätter dehnten sich plötzlich aus zu einem Riesenfolio, wo tausend Imitationen und Ausführungen jenes Themas geschrieben standen, die ich abspielen mußte. Die Noten wurden lebendig und flimmerten und hüpften um mich her – elektrisches Feuer fuhr durch die Fingerspitzen in die Tasten – der Geist, von dem es ausströmte, überflügelte die Gedanken […][91]“
Damit waren die Goldberg-Variationen in die Literatur eingeführt und das Wissen um sie gelangte auch auf diesem Wege zu den Komponistengenerationen um Robert Schumann und Johannes Brahms, der die Goldberg-Variationen öffentlich spielte.[92]
- 1974 wurde Dieter Kühns Hörspiel Goldberg-Variationen erstmals gesendet. Es verarbeitet – von Forkels Bericht ausgehend – das Verhältnis zwischen Goldberg und dem Grafen Keyserlingk und behandelt die sozialen und politischen Verhältnisse der Zeit um 1748 und erweitert diese Thematik ins Grundsätzliche:
„Es findet statt ein Dialog zwischen einem Sprecher und einem Musiker, der nur in seiner Musik präsent ist. Das Hörspiel ist - was schon der Titel andeutet - eine Variationsreihe: In immer neuen Konstellationen wird den Beziehungen und Widersprüchen nachgegangen zwischen Musik und einer historischen Wirklichkeit, in der diese Musik entsteht.“
- 1983 wurde Thomas Bernhards Roman Der Untergeher veröffentlicht. Er enthält auf verschiedensten Ebenen Bezüge zu den Goldberg-Variationen. Er beschäftigt sich mit der halb real und halb fiktiv gezeichneten Gestalt Glenn Goulds und dessen Einüben und Interpretieren der Goldberg-Variationen. Die Entstehungsgeschichte der Goldberg-Variationen wird persifliert, die Verbindung zu den beiden Volksliedern des Quodlibets stellen eine Wirtin und ein Holzfäller her und Form und Zahlenordnungen der Goldberg-Variationen werden im Untergeher aufgegriffen. So kommt das Wort Aria zweimal, das Wort Goldberg-Variationen 32-mal vor und in den einleitenden Absätzen wird ähnlich wie in der Aria Themenmaterial exponiert, das in Variationen den gesamten Roman bestimmt.[94]
- In den Romanen Das Schweigen der Lämmer (1988) und Hannibal (1999) von Thomas Harris wird der Protagonist Hannibal Lecter als gebildeter Bach-Liebhaber dargestellt. Im ersten Roman lässt Lecter in seiner Zelle die von Glenn Gould gespielten Goldberg-Variationen auf dem Kassettenrekorder erklingen, während er seine Wärter tötet bzw. verstümmelt. Im zweiten Roman spielt er die Goldberg-Variationen auf seinem Flügel in Florenz.
- 1991 wurde George Taboris Theaterstück Goldberg-Variationen uraufgeführt. Tabori hat sich allerdings lediglich den Titel geliehen. Ein weiterer Bezug zu Bachs Werk besteht nicht.
- 2008 veröffentlichte Anna Enquist, klinische Psychologin und ausgebildete Pianistin, den Roman Kontrapunkt (Original Contrapunt). Enquist geht von der fiktiven Vorstellung aus, Bachs 1739 im Alter von 24 Jahren verstorbener Sohn Johann Gottfried Bernhard habe die Aria geliebt. Deshalb habe Bach die Aria als Variationsthema gewählt. „Er behielt seinen Sohn bei sich, wenn er sich in die Variationen vertiefte, er wurde nicht verrückt vor Verzweiflung, solange er komponierte, er arbeitete an einem tönenden Grabmal für den verlorenen Sohn“.[95] Während die Protagonistin die Goldberg-Variationen auf dem Klavier einstudiert, kann sie ihre tödlich verunglückte Tochter in Erinnerungen zu sich zurückholen und die Trauer um sie mit Hilfe der Musik bewältigen.
- 2015 veröffentlichte Leon de Winter den Roman Geronimo. Darin entwickelt die weibliche Protagonistin Apana eine Passion für die Goldberg-Variationen. Zudem ist der Roman in Anlehnung an die Goldberg-Variationen aufgebaut. Er hat 32 Teilstücke, von denen das erste und letzte identisch sind.[96][97]
Literatur
- Werner Breig: Bachs Goldberg-Variationen als zyklisches Werk. Archiv für Musikwissenschaft. XXXII, 1975.
- Rolf Dammann: Johann Sebastians „Goldberg-Variationen“. Schott, Mainz, London, New York, Tokyo 1986, ISBN 978-3-7957-1792-6.
- Ingrid Kaussler, Helmut Kaussler: Die Goldberg-Variationen von J. S. Bach. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1985, ISBN 978-3-7725-0845-5.
- Heinz-Klaus Metzger, Rainer Riehn (Hrsg.): Johann Sebastian Bach – Goldberg-Variationen (= Musik-Konzepte. 42). München 1985.
- Peter Petersen: Bachs Goldberg-Variationen. Visualisierung des Klanggeschehens – Intensivierung des Hörens. Schliengen: Argus 2020, ISBN 978-3-931264-18-5.
- Ulrich Siegele: Johann Sebastian Bach komponiert Zeit. Tempo und Dauer in seiner Musik. Band 1: Grundlegung und Goldberg-Variationen. Hamburg 2014, ISBN 978-3-7323-0226-0.
- Andreas Traub: Johann Sebastian Bach. Goldberg-Variationen BWV 988. München 1983, ISBN 3-7705-2166-8.
- Peter F. Williams: Bach: The Goldberg Variations. Cambridge 2001 (Reprint 2003), ISBN 0-521-00193-5.
Weblinks
- Goldberg-Variationen (auch das Faksimile von Bachs Handexemplar): Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- Englisch-japanische Website mit umfassender Diskografie
- Goldberg-Variationen BWV 988, gespielt von Matthew Halls auf dem Cembalo und von David Korevaar auf dem Klavier, jeweils mit Notentext der Erstausgabe (Flash)
Einzelnachweise
- ↑ Gregory Butler: Neues zur Datierung der Goldberg-Variationen, Bach-Jahrbuch 74 (1988). doi:10.13141/bjb.v19882590
- ↑ a b Über Johann Sebastian Bachs Lebens, Kunst und Kunstwerke, Bärenreiter-Verlag, Kassel et altera 1974, S. 91–93, siehe auch die Onlinefassung
- ↑ Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. 2. Auflage, Frankfurt am Main 2007, S. 406
- ↑ a b Christoph Wolff: Bach's Handexemplar of the Goldberg-Variations: A New Source. JAMS 29, 1976
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 11
- ↑ Heinz Hermann Niemöller: Polonaise und Quodlibet. In: Musik-Konzepte, 42, 1985, S. 4 u. 5.
- ↑ a b Christoph Wolff, Frankfurt am Main, S. 407.
- ↑ Werner Neumann: Bilddokumente zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs. Kassel u. a. 1979, S. 214–217.
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 81
- ↑ Christoph Wolff: Bach's Handexemplar of the Goldberg-Variations: A New Source. JAMS 29, 1976, S. 229–231.
- ↑ Günter Hartmann: BWV 988: Bergamasca-Variationen? oder Das aus dem Rahmen fallende Quodlibet. Lahnstein 1997, an diversen Stellen der Streitschrift eigene Erkenntnisse und hilfreiche Zitate nebst Notenbeispielen, besonders S. 74–78
- ↑ Wolfgang Ruf: Arie, I. Begriff Terminologie und Frühgeschichte bis zum 16. Jahrhundert. In Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, Sachteil 1, Kassel et altera 1994, Spalte 812
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 85, vergl. Bachs Sarabande in der Französischen Suite G-Dur
- ↑ Vergl. Aria Eberliniana pro dormente camillo varita von Johann Christoph Bach aus dem Jahre 1680, Faksimile in Johann Christoph Bach. ARIA EBERLINIANA. Neue Bachgesellschaft e. V., Leipzig 1992. Beachte dagegen die Ähnlichkeiten und Unterschiede dazu in Ludwig Beethovens Fünfzehn Variationen mit einer Fuge op. 35 (1802) und Robert Schumanns Impromptus über ein Thema von Clara Wieck op. 5 (1832)
- ↑ Bezeichnung entsprechend den Fundamental-Noten der 14 Kanons in Bachs Handexemplar
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 32f
- ↑ Henry Purcell: A Ground in Gamut
- ↑ Mehrere Sätze aus Premiere Ordreund Dixiême Ordre, siehe Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 31f
- ↑ Günter Hartmann, Lahnstein 1997, S. 56–58
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 31
- ↑ Andreas Jacob: Studien zu Kompositionsart und Kompositionsbegriff in Bachs Klavierübungen (= Archiv für Musikwissenschaft. Beiheft XL). Stuttgart 1997, S. 56
- ↑ Christoph Wolff: Der Stile antico in der Musik Johann Sebastian Bachs. Wiesbaden, 1968.
- ↑ Im Erstdruck steht „Fugetta“ und nicht wie eigentlich korrekt „Fughetta“
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 90–97
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 109–117. Siehe auch Dietrich Buxtehude: Aria: La Capricciosa (32 partite diverse) (BuxWV 250), Partita 29.
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 123–125
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 136
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 180
- ↑ Andreas Jacob hält diese Variation für eine Passepied, siehe Andreas Jacob, Stuttgart 1997, S. 243 u. 252
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 216
- ↑ Peter F. Williams, Cambridge 2001, S. 57
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 98
- ↑ a b Günter Hartmann, Lahnstein 1997, S. 74–78
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 144
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 229f
- ↑ Peter F. Williams, Cambridge 2001, S. 28f
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 64f
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 190–193 u. 208–215
- ↑ Werner Neumann: Bilddokumente zur Lebensgeschichte Johann Sebastian Bachs. Kassel et altera 1979, S. 330
- ↑ Die Identifikation der Lieder geht auf den Bachschüler Johann Christian Kittel zurück. Siehe Andreas Jacob: Studien zu Kompositionsart und Kompositionsbegriff in Bachs Klavierübungen. (= Archiv für Musikwissenschaft. Beiheft XL). Stuttgart 1997, S. 263. Dort weitere Literaturhinweise
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 234f
- ↑ Günter Hartmann, Lahnstein 1997, S. 53–67.
- ↑ Siehe oben im Kapitel „Fundamental-Noten“
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 85
- ↑ Rolf Dammann, Main 1986, S. 94
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 98
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 106
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 108
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 107
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 110
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 114
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 121
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 121f.
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 123
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 126
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 130
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 133f.
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 139
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 154
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 156
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 161
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 163
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 166
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 171, S. 174
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 179
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 186
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 189
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 198
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 204, S. 207
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 206
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 211
- ↑ a b c Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 219
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 223
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 222
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 224
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 228
- ↑ a b Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 233
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 235
- ↑ Rolf Dammann, Mainz 1986, S. 241–246
- ↑ Online-Präsentation des Handexemplares
- ↑ Andreas Traub: Johann Sebastian Bach. Goldberg-Variationen BWV 988. München 1983, S. 70
- ↑ Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach, 2. Auflage 2007. S. Fischer, Frankfurt am Main, S. 407
- ↑ a b c Andreas Traub, München 1983, S. 67ff
- ↑ Peter F. Williams, Cambridge 2001, S. 95
- ↑ Seiji Choki: Zwei Aspekte der Bach-Rezeption um die Jahrhundertwende. Reger und Busoni. In: Alexander Becker (Hrsg.): 6. Reger-Studien. Musikalische Moderne und Tradition. Karlsruhe 1998, S. 313–319. ISBN 3-7651-0335-7
- ↑ Karlheinz Essl: Gold.Berg.Werk
- ↑ Partitur bei IMSLP
- ↑ Englisch-japanische Website mit umfassender Diskografie
- ↑ Hermann Keller: Die Klavierwerke Bachs. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte, Form, Deutung und Wiedergabe. Peters, Leipzig 1950, S. 219.
- ↑ Heinz Hermann Niemöller: Polonaise und Quodlibet, in: Musik-Konzepte 42, 1985, Seite 3
- ↑ E.T.A. Hoffmann: JohannesKreislers, des Kapellmeisters, musikalische Leiden (zeno.org)
- ↑ Andreas Traub, München 1983, S. 70
- ↑ Bund der Kriegsblinden Deutschlands/Filmstiftung Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): HörWelten. 50 Jahre Hörspielpreis der Kriegsblinden. (Memento vom 10. September 2014 im Internet Archive) Berlin 2001, S. 57 (PDF 558 KB)
- ↑ Liesbeth M. Voerknecht: Thomas Bernhard und die Musik. Der Untergeher. In Joachim Hoell, Kai Luehrs-Kaiser (Hrsg.): Thomas Bernhard: Traditionen und Trabanten. Berlin 1999, S. 195–199
- ↑ Anna Enquist in Kontrapunkt
- ↑ Leipziger Buchmesse, Veranstaltungen – Lesung mit Leon de Winter – Aufbau des Romans
- ↑ Bedeutung der Goldbergvariationen für Apana (Memento vom 25. März 2016 im Internet Archive)
Artist(s)
Veröffentlichungen von Glenn Gould die im OTRS erhältlich sind/waren:
Bach: The Goldberg Variations ¦ Bach: The Well-Tempered Clavier Books I & II ¦ Glenn Gould Plays Mozart Piano Sonatas
Glenn Gould auf Wikipedia (oder andere Quellen):
Glenn Herbert Gould [gu:ld] (* 25. September 1932 in Toronto, Ontario, Kanada; † 4. Oktober 1982 ebenda) war ein kanadischer Pianist, Komponist, Organist und Musikautor. Er ist vor allem für seine Bach-Aufnahmen bekannt.
Leben
Glenn Gould war ein Einzel- und Wunschkind seiner Eltern Russell Herbert („Bert“) Gold (1901–1996)[1] und Florence („Flora“) Emma Gold (1891–1975),[2] geborene Grieg. Der Familienname Gold wurde 1939 in Gould geändert.[3] Seine Eltern waren musikalisch, der Vater spielte Violine und die Mutter, die Klavier und Orgel spielte, arbeitete vor ihrer Ehe als Gesangslehrerin.[4] Florence Gould war entfernt mit dem Komponisten Edvard Grieg verwandt, der ein Cousin ihres Großvaters gewesen war.[5] Gould erlernte bereits ab seinem vierten Lebensjahr das Klavierspiel und Notenlesen von seiner Mutter, die bereits vor ihrer Schwangerschaft von der Idee besessen gewesen war, eines Tages einen Sohn zu haben, der ein großer Musiker werde. Sie unterrichtete Gould sieben Jahre lang und erwartete von ihm, dass er beim Spielen sang. Diese Gewohnheit konnte er später nur sehr schwer ablegen.
Ausbildung
Ab seinem elften Lebensjahr besuchte er das Royal Conservatory of Music in Toronto. Dort studierte er Klavier bei Alberto Guerrero, Orgel bei Frederick C. Silvester und Musiktheorie bei Leo Smith. Die Schüler von Guerrero erlernten eine besondere Technik des Klavierspielens. Bei dieser Anschlagstechnik geht es darum, die Fingerspitzen zu sensibilisieren, indem der spielende Finger mit einem Finger der anderen Hand heruntergedrückt und dann wieder losgelassen wird. Es soll dabei das Gefühl entstehen, dass die Tasten hochgezogen werden, wobei das Zurückfedern der Taste die zentrale Rolle spielt. Es geht also mehr ums Loslassen der Taste. Das ergibt auch Sinn, was die Tondauern der einzelnen Töne betrifft, was Goulds Spiel besonders auszeichnet. Bei dieser Art des Tappings korrespondiert der Finger der anderen Hand, wenn er nach oben gezogen wird, das Ensemble nach oben zieht, mit dem Aufgewicht der jeweiligen Taste. Außerdem saß Guerrero sehr tief am Klavier und nah an den Tasten, was Gould ebenfalls übernahm, daher nahm er als Erwachsener stets einen Klavierstuhl mit 35 cm Sitzhöhe bei seinen Auftritten mit.[6] Ein normaler Klavierstuhl ist 51 bis 60 cm hoch. Das Original des Stuhls steht in der Library of Toronto.
Konzertleben
Den internationalen Durchbruch schaffte er 1955 mit seinem USA-Debüt in New York. Am nächsten Tag lud ihn ein Produzent des Labels Columbia Records zu einer Schallplattenaufnahme in sein Studio ein. Es entstand die berühmte erste Studio-Aufnahme von Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen (ein bereits 1954 von der kanadischen Rundfunkgesellschaft CBC aufgenommener Live-Mitschnitt des Werks wurde erst Jahrzehnte später auf CD veröffentlicht). Gould blieb dem Label bis an sein Lebensende treu. Zwischen 1955 und 1964 konzertierte Gould ausgiebig in Nordamerika und Europa. 1957 trat er zwei Wochen lang in der Sowjetunion auf, wo ihn der Enthusiasmus seiner Zuhörer tief bewegte.[5][7]
Studioleben
Zunehmend wurde er jedoch des Konzertierens überdrüssig, da er den Auftritt eines einzelnen Künstlers vor einer großen Menge von Menschen für den Künstler als unwürdig und für die Musik als ungeeignet erachtete. So konzentrierte er sich ab 1964 ganz auf die elektronischen Medien und gab bis zu seinem Tod kein einziges öffentliches Konzert mehr. Es entstanden weiterhin zahlreiche Tonaufnahmen für CBS; für CBC produzierte er Ton- und Filmaufnahmen sowie drei Dokumentarhörspiele. Gould hatte großes Interesse am Aufnahmeprozess und besaß daher ein eigenes Tonstudio, in dem er die Auswirkungen des Zusammenschneidens einer Aufnahme aus zahlreichen Versionen („takes“) auf das musikalische Argument erforschte. Mit der Zeit wurde Gould immer kontrollsüchtiger, so dass selbst Zeitungs- und Fernsehinterviews von ihm selbst Wort für Wort verfasst wurden.[8] Goulds Arbeitsweise im Aufnahmestudio wurde 2017 in der von Robert Russ produzierten Edition Glenn Gould—The Goldberg Variations: The Complete Unreleased Recording Sessions June 1955 dokumentiert. Das Set enthält die kompletten Aufnahmesitzungen zu seinem Debüt-Album mit den Goldberg-Variationen inklusive Gespräche mit dem Produzenten Howard H. Scott.[9]
Privatleben
Von 1967 bis 1972 lebte er mit der kanadischen Malerin Cornelia Foss, der Ehefrau des von Gould verehrten Komponisten und Dirigenten Lukas Foss, und deren zwei Kindern in Toronto.[10] In den 1970er-Jahren hatte er mit der Sopranistin Roxolana Roslak eine Arbeits- und Liebesbeziehung.[5]
1982, nur wenige Monate nach Erscheinen seiner zweiten Studioaufnahme der Goldberg-Variationen und neun Tage nach seinem 50. Geburtstag, starb Gould an den Folgen eines Schlaganfalls. Den Erfolg dieser zweiten Aufnahme konnte er nicht mehr miterleben. Gould ist gemeinsam mit seinen Eltern auf dem Mount Pleasant Cemetery seiner Heimatstadt Toronto beerdigt.[11]
Repertoire
Goulds Aufnahmen konzentrieren sich auf den Barock, die Klassik und die klassische Moderne. So befinden sich darunter nahezu das gesamte Klavierwerk von Johann Sebastian Bach, die meisten Beethoven- und alle Mozartsonaten, das gesamte Klavierwerk von Arnold Schönberg, Anton Webern und Alban Berg ebenso wie alle Sonaten für Klavier sowie für Bläser mit Klavierbegleitung von Paul Hindemith.
Goulds teils scharf artikuliertes Spiel ist umstritten. Während diese Art der Interpretation bei Barockmusik als Cembalo-Imitation sehr erfolgreich war, wurden seine röntgenartig zergliederten Mozart-Sonaten von den Kritikern mehrheitlich abgelehnt. Zu den Komponisten der Romantik und ihren Werken hatte Gould, der sich halb im Scherz einst als „der letzte Puritaner“ bezeichnete, ohnehin ein schwieriges Verhältnis, weil er in den Werken dieser musikalischen Epoche das strukturelle Element der Musik zu sehr vernachlässigt sah. Allerdings existieren einige Aufnahmen romantischer Musik, z. B. zehn Intermezzi, vier Balladen und zwei Rhapsodien von Johannes Brahms, fünf Lieder ohne Worte von Felix Mendelssohn Bartholdy, die Klaviersonate Nr. 3 h-Moll von Frédéric Chopin (dessen Musik er genau wie die Robert Schumanns eigentlich ablehnte), Klaviersonaten von Alexander Skrjabin sowie Klaviermusik, Lieder und das Melodram Enoch Arden von Richard Strauss und nicht zuletzt der Mitschnitt der legendären Aufführung des 1. Klavierkonzerts von Johannes Brahms mit Leonard Bernstein am Dirigentenpult. Von Georges Bizet nahm Gould die wenig bekannten Variations Chromatiques op. 3 auf, zusammen mit der Klaviersonate in e-Moll op. 7 von Edvard Grieg. Außerdem spielte Gould mit einem Orchester Wagners Siegfried-Idyll ein, das er auch zusammen mit einigen anderen eigenen Transkriptionen Wagnerscher Werke für den Konzertflügel aufnahm. Zu dieser Art von Aufnahmen zählen auch die Transkriptionen von Beethovens 5. und 6. Symphonie durch Franz Liszt (gegenüber dessen eigenen Werken er ebenfalls eine starke Abneigung hegte), die er 1968 für Columbia Records (5. Symphonie) bzw. das kanadische Radio (6. Symphonie) auf Tonträgern festhielt.
Goulds Interpretationen
Gould wollte in seinen Interpretationen keine romantischen Effekte erzielen. Beispielsweise spielte er Barockmusik streng rhythmisch, was ihm von Seiten der Kritik oftmals vorgeworfen wurde. Der Musikkritiker der Financial Times, Dominic Gill, schrieb 1970 in seiner Würdigung der Neuauflage von Goulds Goldberg-Einspielung des Jahres 1955:
Ein [Kritiker] ging so weit, Gould mit dem elektronischen Moog Synthesizer zu vergleichen, während andere nach Ausdrücken wie „klinisch“ oder „eisig“ suchten. Wenn man sich die Einspielung heute anhört, scheint keiner dieser Vergleiche oder Adjektive zuzutreffen und der Sache gerecht zu werden. Von exzentrisch kann nur insofern die Rede sein, als dass schnelle Tempi manchmal sehr, sehr schnell und langsame sehr langsam gesetzt werden; aber die Texturen sind immer dermaßen kristallklar, dass sie einen die meistens gefährlichen Geschwindigkeiten vergessen lassen. Das ist auch ein Beleg für bemerkenswerte Einsicht und Poesie von einer kühlen, brillanten Einfachheit, die keineswegs Sanftheit ausschließt.[12]
Die Aufnahmen der Werke Johann Sebastian Bachs waren es auch, die hauptsächlich seine bis heute anhaltende Geltung begründeten. Er tat sich aber ebenso als Interpret der Werke Ludwig van Beethovens hervor, die in seinen Einspielungen teils jugendlich-ungestüm, teils nachdenklich-stimmungsvoll erklingen. Bekannt wurde er auch als Schönberg-Interpret.
Sein respektloses Verhältnis gegenüber einigen Komponisten wie Beethoven und insbesondere Mozart ist bekannt. So legte Gould eine umstrittene Gesamtaufnahme der Klaviersonaten Mozarts vor. Er bezeichnete Mozart als einen mittelmäßig begabten Komponisten, der eher zu spät als zu früh gestorben sei. Diese provozierende Äußerung bestätigte Glenn Gould später in einem Interview im Jahre 1976 gegenüber Bruno Monsaingeon, betonte dabei jedoch die Qualität des Frühwerks und bezeichnete KV 284 als seine Lieblingssonate.[13] Joachim Kaiser hielt diese Aussage im Hinblick auf Mozarts bedeutende Spätwerke wie die Zauberflöte für frivol, erklärte sie aber damit, dass der junge Mozart als Form-Erneuerer deutlich mutiger gewesen sei als später.[14]
Gould verstand sich nicht als rein wiedergebender Interpret, sondern vielmehr als nachschöpfender, musizierender Komponist. Dies ist letztlich auch der Grund seiner Bemühungen, vertraute Musik in oftmals ungewohnter Weise aufzuführen. Es ging ihm darum, Facetten der Musik aufzudecken, die von der Tradition vernachlässigt wurden. So erklärt sich auch seine Vorliebe für weniger populäre Musik wie die von Bach, die wegen ihrer Komplexität erst spät bei breiten Hörerschichten beliebt wurde. Gould versuchte diese Musik nicht wie üblich durch interpretatorische Annäherungen an das populäre romantische Repertoire dem Publikum näher zu bringen, sondern wagte es, Barockmusik in all ihren Eigenheiten lebendig und ohne akademische Strenge, dabei stets exakt und kontrolliert, zu spielen.
Das leise, aber hörbare Mitsummen ist ein typisches Element von Goulds Klaviereinspielungen. Bei vielen seiner Aufnahmen ist es vernehmbar, vor allem bei seiner zweiten Einspielung der Goldberg-Variationen. Gould sagte dazu in einem Interview, er betrachte das Mitsummen eher als lästige Angewohnheit. Dennoch fürchtete er, beim Ablegen seiner Marotte könnte sein Klavierspiel darunter leiden. Umstritten war oft seine Wahl extrem schneller (und bisweilen auch ungewöhnlich langsamer) Tempi. Seine Spieltechnik ermöglichte ihm eine Transparenz, welche die polyphonen Zusammenhänge der Musik hervorhob. Allerdings zeigte Gould in seinen Brahms-Aufnahmen (Intermezzi, Vier Balladen) auch eine romantische Seite.
Radio-Dokumentationen und Schriften
Weniger bekannt als seine Musikaufnahmen sind Goulds Radio-Dokumentationen für die CBC, die von vielen Kritikern gelobt wurden. Hervorzuheben ist unter ihnen die Solitude Trilogy, eine Serie von drei Hörspielen über das Leben nördlich des Polarkreises. Sie besteht aus dem ersten Teil The Idea of North, der vom Norden und seinen Bewohnern handelt, The Latecomers, einer Sendung über Neufundland, und The Quiet in the Land, einem Hörspiel über die Mennoniten in Manitoba. Alle Teile der Solitude Trilogy benutzen eine Technik, die Gould selbst „kontrapunktisches Radio“ nannte. Hierbei sprechen mehrere Personen gleichzeitig, aber nicht willkürlich aneinander vorbei. Der Sinngehalt des Gesagten der einzelnen Personen ergänzt sich gegenseitig – ähnlich wie die Stimmen einer Fuge. Goulds Co-Produzent bei diesen Dokumentationen, Lorne Tulk, erzählte einst, dass Gould diese Technik bei The Idea of North aus einer gewissen Notlage heraus entwickelt hatte. Die Sendung durfte nur 60 Minuten dauern, aber Gould besaß Material für weitere 14 Minuten, das er unbedingt verwenden wollte. Auf diese Weise kam ihm, der die Kompositionstechniken des Barock sehr schätzte, die Idee, Gesprochenes wie kontrapunktische Musik zu behandeln.
Goulds Schriften sind gesammelt in zwei Bänden auch auf Deutsch erschienen. Solitude Trilogy wurde in die Wireliste The Wire’s "100 Records That Set The World On Fire (While No One Was Listening)" aufgenommen.
Kompositionen
- Streichquartett op. 1
- So You Want to Write a Fugue? für vier Stimmen und Streichquartett
- Klaviersonate (unvollendet)
- Sonate für Fagott und Klavier
- Zwei Stücke für Klavier (1951/52)
- Fünf kurze Stücke für Klavier (1951)
- Lieberson Madrigal
- Kadenzen für Beethovens Erstes Klavierkonzert
Auszeichnungen und Ehrungen
- 1969: Molson Prize
- 1983: Postume Aufnahme in die Canadian Music Hall of Fame[15]
- 1990: Goldene Schallplatte für das Album Goldberg Variations in der Schweiz[16]
- 1997: The Glenn Gould School – Umbenennung der 1987 gegründeten Royal Conservatory of Music Professional School, einer Abteilung des Royal Conservatory of Music in Toronto für fortgeschrittene Studenten und Berufsmusiker, zu Ehren von Glenn Gould, der einst selbst am Konservatorium in Toronto studiert hatte[17]
- 2012: Die kanadische Regierung, vertreten durch den für das Historic Sites and Monuments Board of Canada zuständigen Minister, ehrte Gould am 5. März 2012 für sein Wirken als einer der großen klassischen Musiker des 20. Jahrhunderts und erklärte ihn zu einer „Person von nationaler historischer Bedeutung“.[18]
Schriften
- John P. L. Roberts (Hrsg.): Briefe. Piper, München 1999, ISBN 3-492-22939-5.
- Hans-Joachim Metzger (Übersetzer): Von Bach bis Boulez. In: Tim Page (Hrsg.): Schriften zur Musik. Band 1. Piper, München 1986, ISBN 3-492-23614-6.
- Vom Konzertsaal zum Tonstudio. In: Tim Page (Hrsg.): Schriften zur Musik. Band 2. Piper, München 2002, ISBN 3-492-23615-4.
Biografien und Verwandtes
- Kevin Bazzana: Wondrous strange: the life and art of Glenn Gould. Oxford University Press, New York 2004, ISBN 0-19-517440-2.
- Kevin Bazzana: Glenn Gould: Die Biografie. Ausgabe mit CD. Schott, Mainz 2006, ISBN 978-3-7957-0570-1 (englisch: Wondrous Strange. The Life and Art of Glenn Gould. Übersetzt von Isabell Lorenz).
- Kevin Bazzana: Glenn Gould oder die Kunst der Interpretation. Bärenreiter Metzler, Kassel 2001, ISBN 978-3-7618-1492-5.
- Jonathan Cott, Glenn Gould: Telefongespräche mit Glenn Gould. Alexander-Verl, Berlin 2012, ISBN 978-3-89581-296-5.
- Otto Friedrich: Glenn Gould: eine Biographie. 1. Auflage. Wunderlich, Reinbek 1991, ISBN 3-8052-0513-9.
- Glenn Gould: ein Leben in Bildern. Nicolai, Berlin 2002, ISBN 3-87584-475-0.
- Katie Hafner: Romanze mit einem Dreibeiner: Glenn Goulds obsessive Suche nach dem perfekten Klavier. 1. Auflage. Schott, Mainz 2009, ISBN 978-3-7957-0657-9.
- Andrew Kazdin: Glenn Gould: ein Porträt. Schweizer Verlagshaus, Zürich 1990, ISBN 3-7263-6631-8.
- Malcolm Lester: Glenn Gould: a life in pictures. Doubleday, Toronto 2002, ISBN 0-385-65903-2.
- Glenn Gould, John McGreevy (Hrsg.): Glenn Gould Variations, By Himself and his Friends. 1. Auflage. Doubleday, Toronto 1983, ISBN 0-385-18995-8 (zweites über Gould erschienenes Buch; enthält Schriften von Gould selbst, damals noch nicht in Buchform erhältlich, und von Weggefährten).
- Geoffrey Payzant: Glenn Gould: Music and Mind. 6. Auflage. Key Porter, Toronto 1997, ISBN 978-1-55013-858-0 (die erste Biografie; noch zu Goulds Lebzeiten erschienen).
- Michael Stegemann: Glenn Gould: Leben und Werk. Piper, München 2007, ISBN 978-3-492-25056-6.
- Michael Stegemann: The Glenn Gould Trilogy – Ein Leben. (Hörspiel, Biografie, Hörbuch, Musik und O-Töne), 3 CDs, 230 Minuten, Sony Classical, in Deutsch und Englisch.
- Sandrine Revel: Glenn Gould – Leben off-beat. Hrsg.: Anja Kootz. Deutsche Erstausgabe Auflage. Knesebeck, München 2016, ISBN 978-3-86873-750-9.
Literarische Darstellungen
- Thomas Bernhard: Der Untergeher. Suhrkamp, Frankfurt 1983, ISBN 978-3-518-37997-4.
- Ausführliche Darstellung: von Julia Kerscher, Kritische Ausgabe, 35, 2016: »Freundschaft, Künstlerfreundschaft! dachte ich, mein Gott, was für ein Wahnsinn!« (Geistes-)Freundschaft unter Männern in Thomas Bernhards "Der Untergeher."
- James Strecker: Variations on Genius (ein Gedichtzyklus über Glenn Gould, zu lesen im Glenn Gould Archive, siehe Weblinks).
- Attila Csampai (Hrsg.): Glenn Gould: photographische Suiten. Schirmer/Mosel, München 1995, ISBN 3-88814-736-0.
- Jean-Yves Clément: Glenn Gould oder das innere Klavier. Übers.: Maja Ueberle-Pfaff.[19] Fotos Don Hunstein. Freies Geistesleben, Stuttgart 2017
Filme
- Glenn Gould – The Alchemist. Fernsehporträt, Kanada, 1974/2002, Interview: Bruno Monsaingeon, Regie: François-Louis Ribadeau, 17 Video-Ausschnitte
- Cities – Glenn Gould’s Toronto. Stadtportrait, Kanada, 1979, Regie: John McGreevy, Buch: Glenn Gould, 49 Minuten
- Thirty Two Short Films About Glenn Gould. Spielfilm, Kanada, 1993, 98 Min., Buch und Regie: François Girard, (Thirty Two Short Films About Glenn Gould bei IMDb)
- Glenn Gould: Jenseits der Zeit. (Originaltitel: Au delà du temps.) Dokumentarfilm, Frankreich, Kanada 2005, 106 Min., Buch und Regie: Bruno Monsaingeon
- Glenn Gould. Genie und Leidenschaft. (OT: Genius Within: The Inner Life of Glenn Gould.) Dokumentar-Film, Kanada, Deutschland, 2009, 84 Min., Buch und Regie: Michèle Hozer, Peter Raymont, Produktion: White Pine Pictures, ZDF, Inhaltsangabe Toronto International Film Festival
Chronologische Liste der Aufnahmen von Glenn Gould
Die Studio-Aufnahmen aus dem Zeitraum 1956–1982.
Jahr | Titel | Aufgenommen | Label, Seriennummer |
---|---|---|---|
1956 | Bach: The Goldberg Variations | 10.–16. Juni 1955 im CBS 30th Street Studio | Columbia Masterworks, ML 5060 |
1956 | Beethoven: Klaviersonaten Nr. 30-32 | 20.–29. Juni 1956 im CBS 30th Street Studio | Columbia Masterworks, ML 5130 |
1957 | Bach: Concerto No. 1 in D Minor, BWV 1052 & Beethoven: Concerto No. 2 in B-flat major, Op. 19 | 9.–11. April und 30. April 1957 im CBS 30th Street Studio | Columbia Masterworks, ML 5211 |
1957 | Bach: Partitas Nos. 5 & 6; Fugues in F-sharp minor and E major
| Columbia Masterworks, ML 5186 | |
1958 | Haydn: Sonata No. 3 in E-flat major; Mozart: Sonata No. 10 in C major, K.330; Fantasia and Fugue in C major, K.394
| Columbia Masterworks, ML 5274 | |
1958 | Beethoven: Concerto No. 1 in C major; Bach: Concerto No. 5 in F minor
(mit Vladimir Golschmann / Columbia Symphony Orchestra) | Columbia Masterworks, ML 5298 | |
1959 | Berg: Sonata for Piano, Op. 1; Schoenberg: Three Piano Pieces, Op. 11; Krenek: Sonata No. 3 for Piano, Op. 92, No. 4
| Columbia Masterworks, ML 5336 | |
1960 | Gould: String Quartet No. 1
(ausgeführt durch The Symphonia Quartet) | Columbia Masterworks, ML 5578, MS 6178 | |
1960 | Beethoven: Piano Concerto No. 3 in C minor, Op. 37 (mit Leonard Bernstein / Columbia Symphony Orchestra) | Columbia Masterworks, ML 5418 | |
1960 | Bach: Italian Concerto in F major & Partita Nos. 1 & 2
| Columbia Masterworks, ML 5472 | |
1961 | Brahms: 10 Intermezzi
| Columbia Masterworks, ML 5637 | |
1961 | Beethoven: Piano Concerto No. 4 in G major, Op. 58 (mit Leonard Bernstein / New Yorker Philharmoniker) | Columbia Masterworks, ML 6262 | |
1962 | Mozart: Piano Concerto No. 24 in C minor, K. 491 & Schoenberg: Piano Concerto, Op. 42
| Columbia Masterworks, ML 5739 | |
1962 | Bach: The Art of the Fugue, Volume I
(auf der Orgel) | Columbia Masterworks, ML 5738 | |
1962 | Strauss: Enoch Arden (Tennyson), Op. 38
(mit Claude Rains, speaker) | Columbia Masterworks, MS 6341 | |
1963 | Bach: The Well-Tempered Clavier, Book I Volume I, BWV 846–853
| Columbia Masterworks, MS 6408 | |
1963 | Bach: Partitas 3 & 4, Toccata 7
| Columbia Masterworks, MS 6498 | |
1963 | Bach: The Well-Tempered Clavier, Book I Volume 2, BWV 854–861
| Columbia Masterworks, MS 6538 | |
1964 | Bach: Two and Three Part Inventions, BWV 772–801 (Inventions & Sinfonias)
| 18. und 19. März 1964 im CBS 30th Street Studio | Columbia Masterworks, MS 6622 |
1965 | Beethoven: Sonatas No. 5-7, Op. 10, No. 1–3 | Columbia Masterworks, ML 6086, MS 6686 | |
1965 | Bach: The Well-Tempered Clavier, Book I Volume 3, BWV 862–869
| Columbia Masterworks, MS 6776 | |
1966 | The Music of Arnold Schoenberg
| zwischen 11. Juni 1964 und 18. November 1965 | Columbia Masterworks, M2S 736 |
1966 | Beethoven: Piano Concerto No. 5 in E-flat major, op. 73, „Emperor“ | Columbia Masterworks, ML 6288, MS 6888 | |
1967 | Beethoven: Sonatas for Piano No. 8-10, Op. 13 "Pathétique", Op. 14, No. 1 & 2 | Columbia Masterworks, ML 6345 | |
1967 | Bach: Three Keyboard Concertos, BWV 1054, 1056 & 1058
(mit Vladimir Golschmann / The Columbia Symphony Orchestra) | Columbia Masterworks, ML 6401 | |
1967 | Canadian Music in the XXth Century
| CBS Masterworks, 32 11 0045 | |
1968 | Beethoven: Symphony No. 5 in C minor, op. 67 (Transcribed for Piano by Franz Liszt)
| Columbia Masterworks, MS 7095 | |
1968 | Bach: The Goldberg Variations | 10.–16. Juni 1955 in CBS 30th Street Studio, Stereo-Bearbeitung 1968 | Columbia Masterworks, MS 7096 |
1968 | The Mozart Piano Sonatas, Vol. 1 | Columbia, MS 7097 | |
1968 | Bach: The Well-Tempered Clavier, Book II Volume I, BWV 870–877
| 8. August 1966, 24. Januar 1967, 20. Februar 1967 im CBS 30th Street Studio | Columbia Masterworks, MS 7099 |
1968 | Glenn Gould: Concert Dropouts – In Conversation with John McClure
(John McClure, Interviewer) | Columbia Masterworks, BS 15 | |
1969 | Scriabin: Sonata No. 3 in F-sharp minor, op. 23 & Prokofiev: Sonata No. 7 in B-flat major, op. 83 | Columbia Masterworks, MS 7173 | |
1969 | The Mozart Piano Sonatas, Vol. 2 | Columbia Masterworks, MS 7274 | |
1969 | Bach: Keyboard Concertos, Vol. II
(mit Vladimir Golschmann / The Columbia Symphony Orchestra) | CBS, S. 72840 | |
1970 | Bach: The Well-Tempered Clavier, Book II Volume II, BWV 878–885
| Columbia Masterworks, MS 7409 | |
1970 | Glenn Gould Plays Beethoven Sonatas Nos. 8, 14 & 23 | Columbia Masterworks, MS 7413 | |
1970 | Beethoven: Variations for Piano
| Columbia Masterworks, M 30080 | |
1971 | Bach: The Well-Tempered Clavier, Book II Volume III, BWV 886-893
| Columbia Masterworks, MS 30537 | |
1971 | A Consort of Musicke Bye William Byrde and Orlando Gibbons | Columbia Masterworks, M 30825 | |
1972 | The Mozart Piano Sonatas, Vol. 3 | Columbia Masterworks, M 31073 | |
1972 | Schoenberg: Complete Songs for Voice and Piano, Vol. 1
(alle Titel erschienen zuvor auf M2S 736, 1966) | Columbia Masterworks, M 31311 | |
1972 | Schoenberg: Complete Songs for Voice and Piano, Vol. 2
(mit Donald Gramm, Bariton; Cornelius Opthof, Bariton, und Helen Vanni, Mezzosopran) | Columbia Masterworks, M 31312 | |
1972 | Music from Kurt Vonnegut’s Slaughterhouse-Five
(OST Slaughterhouse-Five, alle Titel bereits erschienen) | Columbia Masterworks, S. 31333 | |
1972 | Händel: Suites for the Harpsichord
| Columbia Masterworks, M 31512 | |
1973 | Glenn Gould’s First Recording of Grieg and Bizet | Columbia Masterworks, M 32040 | |
1973 | Bach: The French Suites, Vol. 1
| Columbia Masterworks, M 32347 | |
1973 | The Mozart Piano Sonatas, Vol. 4
| Columbia Masterworks, M 32348 | |
1973 | Beethoven: Piano Sonatas, Op. 31 Complete | Columbia Masterworks, M 32349 | |
1973 | Glenn Gould Plays Hindemith’s Piano Sonatas 1-3
| Columbia Masterworks, M 32350 | |
1973 | Glenn Gould Plays His Own Transcriptions of Wagner Orchestral Showpieces
| Columbia Masterworks, M 32351 | |
1974 | Bach: The French Suites, Vol. 2 & Overture in the French Style
| Columbia Masterworks, M 32853 | |
1974 | Bach: The Three Sonatas for Viola da Gamba & Harpsichord
(mitLeonard Rose, Viola da gamba) | Columbia Masterworks, M 32934 | |
1975 | Beethoven: Bagatelles, Op. 33 & Op. 126
| Columbia Masterworks, M 33265 | |
1976 | Hindemith: The Complete Sonatas For Brass & Piano
(mit Mitgliedern des Philadelphia Brass Ensemble) | Columbia Masterworks, M2 33971 | |
1976 | Bach: The Six Sonatas for Violin and Harpsichord
(mit Jaime Laredo) | Columbia Masterworks, M2 34226 | |
1977 | Glenn Gould Plays Sibelius
| Columbia Masterworks, M 34555 | |
1978 | Hindemith: Das Marienleben for Soprano & Piano
(mit Roxolana Roslak) | Columbia Masterworks, M2 34597 | |
1979 | Bach: The Toccatas, Vol. 1
| Columbia Masterworks, M 35144 | |
1980 | Bach: The Toccatas, Vol. 2
| Columbia Masterworks, M 35831 | |
1980 | Bach: Prelude, Fughettas & Fugues
| CBS Masterworks, M 35891 | |
1982 | Haydn: The Six Last Sonatas
| CBS Masterworks, I2M 36947 | |
1982 | Bach: The Goldberg Variations (1981 Digital Recording) | CBS Masterworks, M 37779 | |
1983 | Brahms: Ballades, Op. 10 & Rhapsodies, Op. 79
| CBS Masterworks, IM 37800 | |
1983 | Beethoven: Sonatas No. 12, Op. 26 & No. 13, Op. 27, No. 1 | CBS Masterworks, M 37831 | |
1984 | Richard Strauss: Sonata, Op. 5; 5 Piano Pieces, Op. 3
| 3. September 1982 im RCA-Studio A in New York | CBS Masterworks, IM 38659 |
- Schoenberg: Ode to Napoleon, mit John Horton (Erzähler) und dem Juilliard String Quartet; Fantasie für Violine und Klavier, mit Israel Baker (1964–1965/1967)
- Schumann: Klavierquintett Es-Dur; Juilliard Quartett (1968/1969)
- Mozart: Klaviersonaten, Vol. 5: Nr. 14, 16 und 17, KV 457, 570 und 576; Fantasia c-Moll, KV 475 (1966, 1970, 1973–1974/1975)
- J. S. Bach: Sechs Englische Suiten (1971, 1973–1976/1977)
- Beethoven: Klaviersonaten, op. 2/Nr. 1–3 and 28 („Pastorale“) (1974, 1976, 1979/1980)
- The Glenn Gould Silver Jubilee Album: Scarlatti: Sonaten, L 463, 413, und 486 (aufgenommen 1968); C.P.E. Bach / Württembergische Sonate Nr. 1 (aufgenommen 1968); Gould: So You Want to Write A Fugue? (aufgenommen 1963); Scriabin: Zwei Stücke, op. 57 (aufgenommen 1972); Strauss / Ophelia-Lieder, mit Elisabeth Schwarzkopf, Sopran (aufgenommen 1966); # Beethoven/Liszt: 6. Sinfonie, 1. Satz (aufgenommen 1968); A Glenn Gould Fantasy
Sonstiges
Die internationale Gesellschaft Glenn Gould Society wurde 1982 von Cornelis Hofmann in Groningen gegründet, sie veröffentlichte bis zu ihrer Schließung im Jahre 1992 eine Zeitschrift mit dem Namen BGGS (Bulletin of the Glenn Gould Society) im halbjährlichen Rhythmus.
Siehe auch
Weblinks
- Werke von und über Glenn Gould im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Glenn Gould in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- The Glenn Gould Foundation
- The Glenn Gould Archive
- Glenn Gould bei Discogs
- Glenn Gould-Blog mit einer Übersicht aller Gould-CDs
- Von Mozart und verwandten Dingen. (Memento vom 6. Februar 2010 im Internet Archive) Glenn Gould im Interview mit Bruno Monsaingeon.
Medien
- Gould-Dossier (Memento vom 24. Juli 2013 im Internet Archive)
- Glenn Gould bei IMDb
Einzelnachweise
- ↑ Russell Herbert „Bert“ Gould (1901–1996) in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 18. September 2017 (englisch).
- ↑ Mrs Florence Emma „Flora“ Greig Gould (1891–1975) in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 18. September 2017 (englisch).
- ↑ Kevin Bazzana: Wondrous Strange: The Life and Art of Glenn Gould. 1. Auflage. Oxford University Press, New York 2005, ISBN 978-0-19-518246-0, S. 24–26.
- ↑ Answers. In: answers.com. Answers.com, archiviert vom Original am 19. Oktober 2010; abgerufen am 11. April 2024.
- ↑ a b c Glenn Gould. In: arte.tv. ARTE Programm, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Mai 2010; abgerufen am 11. Oktober 2016.
- ↑ Glenn Gould's Piano Chair · Linking Culture(s). Abgerufen am 8. April 2023.
- ↑ codonauta: Glenn Gould: The Russian Journey. In: youtube.com. 17. August 2011, abgerufen am 11. Oktober 2016.
- ↑ Michael Fitzgerald: The Genesis of Artistic Creativity: Asperger’s Syndrome And The Arts. Jessica Kingsley Publishers, London 2005, ISBN 978-1-84985-668-3, S. 202 (Der irische Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie Michael Fitzgerald ging in seiner 2005 erschienenen Veröffentlichung The Genesis of Artistic Creativity unter anderem der Frage nach, ob Gould das Aspergersyndrom gehabt hätte. Anhand des biographischen Materials kommt er zu dem Schluss, dass die Diagnosekriterien auf ihn zuträfen.).
- ↑ Anthony Tommasini: 5 Hours of Glenn Gould Outtakes. Why? Listen and Find Out. (englischsprachig). The New York Times, 12. Februar 2018, abgerufen am 1. Juni 2018.
- ↑ Michael Clarkson: News. In: thestar.com. 25. August 2007, abgerufen am 11. Oktober 2016.
- ↑ Glenn Gould in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 8. September 2017 (englisch).
- ↑ Dominic Gill: Concertos and Pianists. Financial Times, London 12. Februar 1970, S. 3
- ↑ Glenn Gould, Schriften zur Musik 1, von Bach bis Boulez, Von Mozart und verwandten Dingen, Glenn Gould im Gespräch mit Bruno Monsaingeon
- ↑ Viel mehr als „wunderbar“, stern, 5. Februar 2006, Interview mit Joachim Kaiser
- ↑ Canadian Music Hall of Fame – Inductees. Canadian Music Hall of Fame, abgerufen am 6. August 2017 (englisch).
- ↑ Auszeichnungen für Musikverkäufe: CH
- ↑ Homepage der Glenn Gould School
- ↑ Gould, Glenn - National Historic Person. In: Directory of Federal Heritage Designations. Parks Canada/Parcs Canada, abgerufen am 27. Juli 2022 (englisch).
- ↑ Ueberle-Pfaff in der Übersetzer-Datenbank des VdÜ, 2019
Personendaten | |
---|---|
NAME | Gould, Glenn |
ALTERNATIVNAMEN | Gould, Glenn Herbert (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | kanadischer Pianist, Komponist und Musikautor |
GEBURTSDATUM | 25. September 1932 |
GEBURTSORT | Toronto, Kanada |
STERBEDATUM | 4. Oktober 1982 |
STERBEORT | Toronto, Kanada |
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