Édith Piaf (1939)
Piafs Unterschrift
Piafs Unterschrift

Édith Piaf (bürgerlich Édith Giovanna Gassion; * 19. Dezember 1915 in Paris; † 10. Oktober 1963 in Plascassier) war eine französische Sängerin, deren Interpretation von Chansons und Balladen sie weltberühmt gemacht haben. Ihr Gesangsstil schien die Tragödien ihres Lebens widerzuspiegeln.[2] Zu ihren größten Erfolgen gehören La vie en rose, Milord und Non, je ne regrette rien.

Leben

Kindheit

Édith Piaf wurde einige Wochen nach der Geburt (nach anderen Darstellungen im Alter von zwei Jahren) im östlichen Pariser Stadtteil Belleville von ihrer Mutter, Annetta Jacqueline Gassion, geborene Maillard, einer Kaffeehaussängerin von halb italienischer, halb marokkanischer Abstammung,[3] verlassen und wuchs danach bei ihrer Großmutter mütterlicherseits auf, wo sie beinahe verhungerte. Damit seine Tochter wieder zu Kräften kam, brachte ihr Vater, Louis Alphonse Gassion, sie 1917 bei seiner Mutter unter, die ein Bordell in Bernay in der Normandie betrieb.[4] Édith fühlte sich dort wohler. Der Vater arbeitete als Schlangenmensch in einem Wanderzirkus. 1919 erkrankte Édith an einer Entzündung der Augenhornhaut; zwei Jahre später machte ihre Großmutter mit ihr eine Wallfahrt zur Heiligen Therese von Lisieux. Édith schrieb ihre Heilung dieser Wallfahrt zu. Deshalb verehrte sie die Heilige, mit der sie weitläufig verwandt ist, ihr Leben lang und besuchte als Erwachsene ihr Grab jährlich. Sie war sieben Jahre alt, als ihr Vater sie das erste Mal mit auf Tournee nahm. Vom zehnten Lebensjahr an begleitete Édith ihren Vater, der sie zur Straßensängerin schulte und oft verprügelte.[5] Édith Piaf wurde stark geprägt von der Gewalttätigkeit des Milieus, in dem sie aufwuchs, und vom Alkoholismus ihres Vaters. Auch sie hatte später ein Alkoholproblem.[6]

Beginn der Karriere in Paris

Als 15-Jährige verließ Piaf ihren Vater und zog mit einer Freundin als Straßensängerin nach Paris. Kurz darauf wurde sie von dem Kabarettbesitzer Louis Leplée entdeckt, der sie als Chanteuse in sein Kabarett holte und der jungen Frau, die lediglich 1,47 Meter groß war, den Namen gab, unter dem sie bekannt wurde: la môme piaf (der kleine Spatz).[6]

Mit 16 Jahren wurde sie schwanger und am 11. Februar 1933, zwei Monate nach ihrem 17. Geburtstag, wurde Marcelle, ihre einzige Tochter, geboren. Diese lebte bei ihrem Vater, Édiths Geliebtem, Louis Dupont. Marcelle starb im Alter von zwei Jahren an einer Hirnhautentzündung.

1946

1935 nahm Édith Piaf ihre erste Schallplatte auf. Als wenig später ihr Mentor Leplée ermordet wurde, bezichtigte man sie öffentlich der Mitwisserschaft, da die Täter aus dem Umfeld ihrer Unterweltbekanntschaften kamen. Obwohl sie freigesprochen wurde, flüchtete sie in die Provinz und kehrte erst 1937 nach Paris zurück. Die mediale Aufmerksamkeit drohte ihren Erfolg zunächst zu gefährden.[7] Aufgrund der Förderung ihres neuen Mentors, Raymond Asso, löste sie sich aber aus dem Ursprungsmilieu. Asso schrieb auch den Text zum Chanson Mon légionnaire, das durch Piaf bekannt wurde.

Durchbruch, Krieg und Kollaborationsvorwurf

Boxweltmeister Marcel Cerdan
1950
Edith Piaf sang auch Blues-Artiges; hier ein berühmtes Beispiel auf Polydor

In den Jahren danach gelang ihr der große Durchbruch. Bühnenauftritte in ganz Europa und unzählige Schallplattenaufnahmen waren die Folge. Ihre Karriere schritt auch in der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg weiter voran. Das von Michel Emer geschriebene Chanson L’Accordéoniste beschreibt die Liebe einer Prostituierten vor dem Hintergrund des Krieges. 1940 wurde Piaf Patin des Kriegsgefangenen-Stammlagers Stalag III D in Berlin-Lichterfelde. 1942 wohnte Piaf in einer Luxuswohnung im vornehmen 16. Arrondissement von Paris (heute Rue Paul-Valéry)[8] oberhalb von L’Étoile de Kléber, einem edlen Nachtklub und Bordell im Umfeld des Gestapo-Hauptquartiers.[9] 1943 war sie auf einer Konzertreise in Berlin mit weiteren französischen Künstlern, darunter Loulou Gasté, Raymond Souplex, Viviane Romance und Albert Préjean, und posierte für Fotografen vor dem Brandenburger Tor.[10] Im Frühjahr 1944 kam es zur ersten Zusammenarbeit im Moulin Rouge und einem Liebesverhältnis mit dem aufstrebenden Sänger und Produzenten Yves Montand; sie stellte ihm unter anderem Joseph Kosma, Henri Crolla, Loulou Gasté, Jean Guigo, Henri Contet, Bob Castella und Francis Lemarque vor. Ihre Liebe zum sechs Jahre jüngeren griechischen Schauspieler Dimitris Horn blieb unerwidert.[11]

Piaf stand nach dem Krieg im Ruf, Kollaborateurin gewesen zu sein, doch entging sie Sanktionen und erhielt kein Auftrittsverbot, da ihre Sekretärin, Andrée Bigard, sich als Mitglied der Résistance bekannte und für sie aussagte.[12][9] Fotos von Piaf mit kriegsgefangenen französischen Soldaten seien genutzt worden, um gefälschte Arbeitserlaubnisse auszustellen und einigen zur Flucht zu verhelfen.[13] Piaf musste mehrfach vor dem französischen Säuberungsausschuss aussagen, zuletzt am 30. November 1945. Sie wurde zwar vom Kollaborationsvorwurf freigesprochen, doch hing ihr der Ruf der Nazikollaborateurin nach. So wurde im französisch besetzten Saarbrücken am 11. April 1946 einer ihrer Auftritte von dem jüdischstämmigen Militärgouverneur im Saarland, Gilbert Grandval, der während der deutschen Besatzung Frankreichs Widerstandskämpfer gewesen war, unterbrochen und endete in einem lautstarken Disput zwischen Piaf und Grandval vor den Augen des Publikums. Die Berichterstattung über das Konzert wurde behördlich unterbunden. Bereits im März 1946 waren bei der französischen Militärverwaltung Bedenken laut geworden, ob Piaf mit ihrer Vergangenheit die Kultur der französischen Nation glaubwürdig im Ausland vertreten könne.[14][15]

Freundschaften und Ehen, Karrierehöhepunkt, Krankheit und Tod

Piaf geriet in eine schwere seelische Krise, als ihr Geliebter, der Boxweltmeister Marcel Cerdan, im Oktober 1949 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Schlagzeilen machte auch ihre anschließende Liebesbeziehung zu dem populären Radrennfahrer Louis Gérardin. „Toto“ Gérardin verließ für Piaf seine Ehefrau, die das Paar von einem Privatdetektiv beschatten ließ. Nach Beendigung der Affäre mit Piaf, die zwei Jahre dauerte, schrieb Gérardin: „Zwei Tage und zwei Nächte mit der Piaf sind anstrengender als eine Etappe der Tour de France.“[16] 54 Liebesbriefe, die Piaf 1951 und 1952 an Gérardin geschrieben hatte, wurden im Mai 2009 für 67.000 Euro an einen unbekannten Bieter versteigert.[17]

1952 heiratete Piaf den Sänger Jacques Pills, von dem sie sich 1956 scheiden ließ. Ihre Trauzeugin war Marlene Dietrich. Die beiden Künstlerinnen verband eine jahrzehntelange Freundschaft. In den 1950er Jahren hatte Piaf eine kurze Liebesaffäre mit dem jungen Chansonnier Georges Moustaki. Er war es auch, der 1959 zu einer Komposition von Marguerite Monnot Milord für sie textete, das, veröffentlicht 1960, ihr größter Hit wurde. Große Bedeutung hatte bereits zu Piafs Lebzeiten und darüber hinaus auch Non, je ne regrette rien, das von Charles Dumont und Michel Vaucaire geschrieben und ebenfalls im Jahr 1960 veröffentlicht wurde und Piafs Lebensmotto zusammenenzufassen schien.[18] Sie widmete es, wie schon frühere Lieder, der Fremdenlegion, die im Algerienkrieg eine wichtige Rolle spielte und deren Fallschirmjäger 1961 an einem Putsch gegen Charles de Gaulle beteiligt waren.[19]

Im September 1958 verlor Moustaki auf einer gemeinsamen Spritztour mit dem Auto die Kontrolle über das Fahrzeug und raste in einen LKW.[20] Während des darauf folgenden mehrmonatigen Krankenhausaufenthaltes wurde die schwer verletzte Piaf mehrmals operiert und erhielt Morphium gegen die Schmerzen, was zu einer lebenslangen Drogenabhängigkeit führte. Dem übermäßigen Alkoholkonsum entsagte sie hingegen, sie wurde trockene Alkoholikerin[6], erkrankte jedoch an chronischer rheumatoider Arthritis.[21]

Während eines Konzertes in Stockholm am Ende der 1950er Jahre erlitt sie einen Schwächeanfall – es wurde eine unheilbare Krebserkrankung diagnostiziert. Piaf ließ sich dennoch nicht beirren und setzte ihre Konzertreise fort. Auf Tourneen wurde sie fortan von einer Krankenschwester begleitet, die ihr im Bedarfsfall Morphium gegen ihre Schmerzen verabreichte. Am 20. September 1959 brach Piaf auf der Bühne des New Yorker Waldorf Astoria zusammen und musste die meisten für 1960 geplanten Auftritte absagen. Auftritte mit dem Lied Non, je ne regrette rien am Jahresende 1960 trugen dazu bei, das Pariser Konzerthaus Olympia vor dem finanziellen Ruin zu bewahren.[22] Im Jahr 1961 gelang Piaf ein vielbeachtetes Comeback.[18] Im Oktober 1962 heiratete sie den Sänger Théo Sarapo.

Édith Piaf förderte den musikalischen Nachwuchs ihres Landes und hatte großen Einfluss auf die Karrieren von Charles Aznavour, Gilbert Bécaud16 2.831-6.515L158.06 176.408c1.699-1.7 4.247-2.833 6.512-2.833 2.265 0 4.814 1.133 6.513 2.833L303.03 308.4c1.7 1.7 2.832 4.249 2.832 6.515z" fill-rule="nonzero" />